Am Bornplatz in Hamburg und am Fraenkelufer in Berlin entstehen neue Synagogen; Orte des Glaubens, der Begegnung und des kulturellen Austauschs. Beide Projekte zeigen, wie Erinnerung architektonisch neu interpretiert werden kann – und wie steinig der Weg zur Realisierung sein kann.

Wiederaufbauprojekt in Hamburg: Seitenansicht der Bornplatzsynagoge mit Nebengebäuden. / © Visualisierung: Stiftung Bornplatzsynagoge

© Visualisierung Titelbild: Staab Architekten, Atelier Loidl Landschaftsarchitekten

 

In Berlin und Hamburg werden derzeit parallel zwei aufwendige und vielbeachtete Synagogen-Wiederaufbauprojekte realisiert, dessen Vorgeschichte durchaus vergleichbar ist. Die Bornplatzsynagoge in Hamburg war einst das religiöse, kulturelle und gesellschaftliche Zentrum der jüdischen Gemeinde in der Stadt. 1906 nach Plänen des Architekten Ernst Friedheim errichtet, galt sie über 30 Jahre lang als eine der größten Synagogen Deutschlands. Die historische Synagoge in Berlin-Kreuzberg entstand von 1913 bis 1916 im klassizistischen Stil nach Plänen von Alexander Beer, dem Baumeister der jüdischen Gemeinde. Sie bot damals Platz für 2.000 Personen und war damit eine der größten Synagogen der Stadt.

Beide Projekte eint, dass sie bereits eine lange Vorlaufzeit haben – und ein gewaltiges Maß an zivilgesellschaftlichem, privaten und ehrenamtlichen Engagement nötig war, um dahin zu kommen, wo beide Projekte jetzt stehen. Denn sowohl in Hamburg als auch in Berlin konnten sich die Projektverantwortlichen mittlerweile auf die zukünftige Form der jeweiligen Neubauten einigen.

Wiederaufbau der Hamburger Bornplatzsynagoge: Siegerentwurf orientiert sich am Original

Der Entwurf für das Projekt stammt von Schulz und Schulz Architekten aus Leipzig, in Zusammenarbeit mit Haberland Architekten und POLA Landschaftsarchitekten aus Berlin.

Er ging einstimmig als Sieger aus dem internationalen Architekturwettbewerb hervor. Der Siegerentwurf überzeugt durch kluge und zukunftsweisende Konzepte „für die Rekonstruktion, unsere künftige Nutzung und den verantwortungsvollen Umgang mit Offenheit einerseits und notwendiger Prävention andererseits“, sagt Philipp Stricharz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Hamburg.

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Der Siegerentwurf nähert sich respektvoll der historischen Vorlage, ohne sie zu kopieren. Die Architektur sei feingliedrig, differenziert und knüpfe an die Materialität und Maßstäblichkeit der Nachbarschaft an, so Hamburgs Oberbaudirektor Franz-Josef Höing. Die Architekten greifen die markante Kubatur sowie die Proportionen der ehemaligen Synagoge auf, interpretieren sie jedoch in zeitgenössischer Formensprache. Auch die charakteristische, rund 40 Meter hohe Kuppel kehrt als Symbol für Transparenz zurück.

Schlichte Nebengebäude aus Backstein komplettieren das Ensemble. In den neuen Räumlichkeiten sollen neben einem orthodoxen Gebetsraum auch eine eigene Reformsynagoge für das liberale Judentum, eine Bibliothek, ein Gemeindesaal, ein Café und Wohnungen entstehen.

POLA Landschaftsarchitekten interpretieren den Platz vor der Synagoge als urbanen Raum neu, mit klaren Achsen, dezent bepflanzten Bereichen und ohne sichtbare Barrieren. Die Entwürfe orientieren sich dabei am Münchner Modell.

Synagoge in Berlin-Kreuzberg soll in ihrer ursprünglichen Form errichtet werden

Wie auch beim Wiederaufbau der Synagoge im Hamburger Grindelviertel soll die einstige Synagoge am Landwehrkanal in ihrer ursprünglichen Ausdehnung wiederaufgebaut werden. Nur die Nutzung soll eine neue sein, denn in dem neuen Gebäude soll ein jüdisches Kulturzentrum entstehen.

Mit dieser Einrichtung möchte die Gemeinde ein Zeichen der Toleranz, des Miteinanders, der Weltoffenheit und des Zukunftsoptimismus senden. Einer der Initiatoren des Projektes ist Dr. Dekel Peretz. Er ist Vorsitzender des Vereins „Jüdisches Zentrum Synagoge Fraenkelufer“ und treibt das Vorhaben seit nunmehr rund acht Jahren voran.

Der Wettbewerb lief bis Ende des Jahres 2024, und im Januar 2025 wählte eine Jury den Siegerentwurf aus. Der Trägerverein teilte mit, dass sich im Rahmen des Wettbewerbs das Team von Staab Architekten in Zusammenarbeit mit dem Atelier Loidl Landschaftsarchitekten durchsetzen konnte.

Staab Architekten und Atelier Loidl gewinnen Architekturwettbewerb für Wiederaufbau der Kreuzberger Synagoge

Das prämierte Konzept dient nun als Grundlage für die weitere Bauplanung, die von der landeseigenen Immobiliengesellschaft Berlinovo geleitet wird. „Die detaillierte Ausarbeitung des Entwurfs soll nun gemeinsam mit Berlinovo zügig vorangetrieben werden, damit am 9. November nächsten Jahres am Fraenkelufer der Grundstein für das Jüdische Zentrum gelegt werden kann“, erklärte Engelbert Lütke Daldrup, der Baubeauftragte des Projekts.

Der Trägerverein kommentierte das Ergebnis in einem offiziellen Statement wie folgt: „Nach intensiver Auseinandersetzung mit den 18 eingereichten Wettbewerbsbeiträgen in einer ganztägigen Preisgerichtssitzung am 15. Januar 2025 haben die neun Fach- und Sachpreisrichter:innen die Gewinnerentwürfe ausgewählt.

Den zweiten und dritten Preis erhielten zwei Büros aus Hamburg (DFZ Architekten und hope Architekten). Vorsitzende des Preisgerichts war die renommierte Berliner Architektin Prof. Ulrike Lauber, auch Engelbert Lütke Daldrup saß im Gremium, welches letztlich die Entscheidung für das siegreiche Team von Staab Architekten / Atelier Loidl traf.

Für beide Projekte werden jeweils rund 20 bis 25 Millionen Euro benötigt

Wie wird es nun für die beiden Projekte nach Abschluss der Gestaltungswettbewerbe weitergehen? Über 100.000 Hamburgerinnen und Hamburger unterstützten in der Hansestadt den Wiederaufbau mit ihrer Unterschrift. Seit 2020 habe sich der Bund mit 13 Millionen Euro am Wiederaufbauprojekt beteiligt, so der Hamburger CDU-Abgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium Christoph de Vries.

Der Wiederaufbau soll als Teil einer langfristigen Strategie zur Förderung jüdischen Lebens in Hamburg gesehen werden, eingebettet in eine vielfältige Stadtgesellschaft. Die Initiatoren des Projekts am Kreuzberger Fraenkelufer schätzten die Kosten für den Wiederaufbau von Beginn an auf etwa 20 bis 25 Millionen Euro.

Vergleichbare Projekte: Synagoge Potsdam, House of One und Exilmuseum in Berlin

Nach Aussage von Ex-BER-Chef Engelbert Lütke Daldrup, der auch im Berliner Gremium saß, habe sich an diesem finanziellen Rahmen bislang auch nichts geändert. In verschiedenen Investitionstöpfen des Landes Berlin seien demnach bis zu 24 Millionen Euro für das Vorhaben reserviert, zusätzlich zu eingehenden Spenden. Sowohl in Hamburg als auch in Berlin sind diese Spenden notwendig, um die Projekte letztlich auch umsetzen zu können.

In Potsdam konnte man im vergangenen Jahr erleben, wie der Abschluss eines solchen Bauvorhabens aussehen kann. Das 2024 eröffnete Synagogenzentrum in Potsdam gehört zu den acht Projekten, die für den Brandenburgischen Baukulturpreis 2025 nominiert wurden. Die Auszeichnung würdigt Bauprojekte, die nachhaltige Planung, innovative Architektur und interdisziplinäre Zusammenarbeit beispielhaft umsetzen.

Synagogenzentrum Potsdam: Ein Ort für Religion und Kultur

Der Neubau an der Potsdamer Schloßstraße 8 entstand nach rund 20 Jahren Planung. Vier jüdische Gemeinden mit etwa 750 Mitgliedern nutzen ihn für Gottesdienste, religiöse Feste und soziale Angebote. Gleichzeitig fungiert das Zentrum als kultureller Treffpunkt, der Veranstaltungen für die gesamte Potsdamer Bevölkerung ermöglicht.

Die Realisierung war gewissermaßen „notwendig“, da Potsdam bislang die einzige deutsche Landeshauptstadt ohne eigenes jüdisches Religionshaus war. Mit dem Neubau wurde diese Lücke geschlossen. Die alte Synagoge von 1903 war nach Kriegszerstörungen 1957 abgerissen worden, neue religiöse Räume entstanden erst Jahrzehnte später durch die Wiederbelebung der jüdischen Gemeinde.

Potsdamer Synagogen-Neubau: Entwurf stammt vom Berliner Architekt Jost Haberland

Der Entwurf des Berliner Architekten Jost Haberland verbindet moderne Bauweise mit traditionellen Elementen. Die helle Fassade aus Brandenburger Klinkersteinen wirkt offen, während hohe Spitzbogenfenster an orientalische Architektur erinnern. Im Inneren dominieren Eichenholz im Synagogenraum und eine Frauenempore.

Höchste Sicherheitsstandards sind unauffällig integriert. Kameras, Zugangskontrollen und ein Schabbatfahrstuhl sollen Schutz und Barrierefreiheit gewährleisten. Das Zentrum bietet zudem Büros, Versammlungsräume und ein rituelles Tauchbad. Es erfüllt damit die vielfältigen Anforderungen an religiöse, soziale und kulturelle Nutzung.

Initiativen in Berlin sammeln noch Spenden für zwei große Kultur- und Sakralprojekte

In der Hauptstadt sind noch zwei weitere Projekte geplant, die nicht minder aufwendig sind, und die ebenfalls mutmaßlich mehr als ein Jahrzehnt an Vorbereitungs- und Planungszeit verschlingen werden. Die Rede ist einerseits vom Haus der drei Religionen am Petriplatz in Berlin-Mitte, dem sogenannten „House of One„. Und andererseits ist damit das geplante Exilmuseum am Anhalter Bahnhof in Kreuzberg gemeint.

Für das „House of One“ wurde schon im Frühjahr 2021 der Grundstein gelegt. Auf der Baustelle selbst ist jedoch wenig tatsächlicher Fortschritt zu erkennen, die Projektinitiatoren sammeln sukzessive Spenden für das Vorhaben ein, es geht nur in kleinen Schritten voran. Schuld an den zahlreichen Verzögerungen tragen aber nicht allein die Bauverantwortlichen.

Ausgrabungen, Umweltbestimmungen und gestiegene Baukosten bremsten das Projekt in Berlin-Mitte aus

An der archäologischen Stätte hatten zuerst vor allem Ausgrabungen den Bau stark verzögert. Nach dem Regierungswechsel gab es zudem neue Auflagen für Umweltschutzanforderungen, die erfüllt werden müssen. Die Arbeit an dem ungewöhnlichen Projekt läuft bereits seit 2011, bis zur Realisierung werden aller Voraussicht nach rund 20 Jahre ins Land gezogen sein – wenn es denn wirklich realisiert wird, denn die Umsetzung ist durchaus fraglich.

Um den Siegerentwurf des Büros Kuehn Malvezzi wie ursprünglich geplant umzusetzen, fehlten der Stiftung laut einem Tagesspiegel-Bericht rund 16 Millionen Euro. Durch die Corona-Pandemie und den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine stiegen die Baukosten von etwa 42 auf rund 70 Millionen Euro.

„House of One“: Initiatoren wollen das Projekt kostengünstiger als bislang geplant umsetzen

Das „House of One“ wird neben den oben erwähnten Spenden größtenteils öffentlich finanziert, insgesamt mit rund 46 Millionen Euro. Einschließlich Eigenmitteln und Spenden verfügt die Stiftung laut demnach über ein Budget von etwa 54 Millionen Euro.

Die Stiftung wollte die fehlenden 16 Millionen Euro ursprünglich über Spenden einwerben und erwog ein „Bauphasenmodell“, bei dem zunächst nur Kernbereiche entstehen sollten. Von diesem Plan habe man sich inzwischen verabschiedet, so Der Tagesspiegel. Stattdessen werde der Entwurf so überarbeitet, dass er innerhalb des bestehenden Budgets realisierbar bleiben soll.

Der Bau des „House of One“ soll baulich verschlankt und damit deutlich günstiger werden

Der Bau solle nicht völlig neu geplant, sondern deutlich verschlankt werden, etwa durch Anpassungen bei Raumaufteilung, Materialien und Haustechnik, begleitet vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung.

Ursprünglich war das „House of One“ als reiner Naturbau aus Sandsteinziegeln mit einem 42 Meter hohen Turm geplant. Rund zwei Millionen gelbe Ziegel sollten das Gebäude prägen und es vom typischen roten Backstein Berlins abheben. Auf Dämmstoffe oder Styropor wollte man verzichten, um allein mit Licht und Material zu wirken, auch weitere Einsparungen werden derzeit geprüft – mit offenem Ausgang.

Am Anhalter Bahnhof in Berlin-Kreuzberg soll das Exilmuseum entstehen

Bereits im August 2020 berichteten wir über die Pläne, an der historischen Portalruine des einstigen Anhalter Bahnhofs am Askanischen Platz in Kreuzberg den Neubau eines Exilmuseums zu realisieren. Das Vorhaben geht zurück auf die private Initiative einer Gruppe rund um die Autorin Herta Müller.

Realisiert werden soll das Museum nach Plänen der dänischen Architektin Dorte Mandrup, die sich in einem internationalen Architekturwettbewerb gegen neun weitere Mitbewerber durchgesetzt hatte. Der Wettbewerb wurde Mitte August 2020 abgeschlossen. Das dänische Büro erhält mittlerweile Unterstützung vom Ingenieursbüro Höhler+Partner. Ebenfalls involviert in das Projekt ist das Projektsteuerungsteam von Teamproject.

Askanischer Platz: Fußballplatz soll erhalten bleiben, doch die Finanzierung des Exilmuseums ist nicht gesichert

Der hinter dem zukünftigen Neubau liegende Fußballplatz wird übrigens erhalten bleiben. Dies war eine der Vorgaben für die Architektenbüros, denn der Mangel an Sportflächen im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist eh schon groß genug.

Ob das Exilmuseum überhaupt kommt, ist genauso offen bei beim Bauvorhaben „House of One“, denn auch dieses Vorhaben ist auf umfangreiche Spenden angewiesen, trotz zahlreicher Unterstützer aus Gesellschaft, Kultur und Politik. Das nötige Geld aufzutreiben ist derzeit Aufgabe der neuen Leitung der Stiftung Exilmuseum Berlin.

Exilmuseum: Neue Stiftungsleitung soll Realisierung des Museumsbaus sicherstellen

Ruth Ur, international erfahrene Kuratorin und Kunsthistorikerin, übernahm zum 1. Juni 2025 die Leitung der Stiftung. Die Entscheidung des Stiftungsvorstands fiel laut einer Pressemitteilung im Mai 2025 einstimmig aus. Ur folgt auf den Gründungsdirektor Christoph Stölzl, der im Jahr 2023 verstorben war.

Mit ihrer Erfahrung in der Vermittlung historisch-politischer Themen soll sie das Museum inhaltlich und konzeptionell weiterentwickeln – und dessen Realisierung sichern. Wie bei allen beschriebenen Projekten wird dies sicher keine leichte Aufgabe, doch eine erfolgreiche Umsetzung wäre sicherlich ein großer Gewinn für die Berliner Stadtgesellschaft.

 

So soll die rekonstruierte und modern ergänzte Synagoge am Bornplatz in Hamburg nach ihrer Vollendung einmal aussehen. / © Visualisierung: Stiftung Bornplatzsynagoge

© Visualisierung: Stiftung Bornplatzsynagoge

So soll der Neubau der Synagoge am Fraenkelufer in Kreuzberg aussehen. / © Visualisierung: Staab Architekten, Atelier Loidl Landschaftsarchitekten

© Visualisierung: Staab Architekten, Atelier Loidl Landschaftsarchitekten

Wird es noch realisiert? Modell des Projekts „House of One“ am Petriplatz in Berlin-Mitte. / © Visualisierung: Kuehn Malvezzi

Herausstechender Baukörper: Die frisch wieder eröffnete Synagoge in Potsdam. / © Foto: IMAGO / epd

So soll das Exilmuseum am Askanischen Platz in Berlin-Kreuzberg aussehen. / © Visualisierung: Stiftung Exilmuseum Berlin, Dorte Mandrup

Quellen: Tagesspiegel, RBB, Tagesschau, Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V., Wikipedia, Landesregierung Brandenburg, Staab Architekten, Atelier Loidl, Jüdisches Zentrum Synagoge Fraenkelufer e. V., Leo Baeck Institue New York / Berlin, Deutsche Presse-Agentur, Berlinovo, Stiftung Bornplatzsynagoge, monopol magazin, Jüdische Gemeinde Hamburg, Stiftung Historische Museen, Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V., Wikipedia, Brandenburgische Architektenkammer, Kuehn Malvezzi, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Dorte Mandrup, Höhler+Partner, Teamproject, Stiftung Exilmuseum Berlin 

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