Berlin steht vor der großen Herausforderung, neuen Wohnraum zu schaffen, ohne die Stadt weiter zu versiegeln. Ein wichtiger Lösungsansatz ist die Umnutzung bestehender Gebäude, von leerstehenden Büros über Kasernen bis hin zu Kirchen. Zehn aktuelle Beispiele zeigen, wie aus Gewerbe- und Industrieflächen, Militärarealen oder Sakralbauten neue Wohnquartiere entstehen.
© Visualisierung Titelbild: THIRD / Prinzip 3D Medienagentur GmbH
In vielen Berliner Bezirken entstehen derzeit neue Wohnungen nicht auf der grünen Wiese, sondern durch die Umnutzung bestehender Gebäude. Ehemalige Kasernen werden zu Wohnquartieren, Kirchen zu Eigentumswohnungen und leerstehende Bürogebäude zu betreuten Wohngemeinschaften oder Mikroapartments umgebaut. Diese Projekte zeigen, wie sich bestehende Bausubstanz für neue Zwecke aktivieren lässt und wie flexibel die Stadt auf veränderte Anforderungen reagieren kann.
Am Rande dieser Entwicklung fordert die aktuelle Kampagne „Grüne Flächen – Hitzeschutz jetzt!“ des BUND Berlin den Senat auf, genau diesen Weg konsequenter zu gehen. Statt neuer Flächenversiegelung sollen verstärkt leerstehende Gewerbeflächen genutzt und Bebauungspläne angepasst werden, um mehr Wohnraum im Bestand zu ermöglichen und die Stadtnatur zu erhalten.
1. Wilmersdorf: Ehemaliges Bürogebäude wird zur betreuten Wohngemeinschaft

In Berlin-Wilmersdorf leben Seniorinnen und Senioren in umgebauten Büroräumen in familiärer Atmosphäre. Das Beispiel zeigt das Potenzial kreativer Immobiliennutzung. / © Foto: Hauskrankenpflege Depner
In Wilmersdorf wurde ein leerstehendes Bürogebäude an der Bundesallee 199 zu einer betreuten Senioren-Wohngemeinschaft umgebaut. In dem ehemaligen Verwaltungsbau leben nun pflegebedürftige Menschen in kleinen, familiären Einheiten, betreut von einem ambulanten Pflegedienst. Der Umbau war baulich und genehmigungsrechtlich anspruchsvoll, da Büroinfrastrukturen oft nicht für Wohnzwecke ausgelegt sind. Dennoch zeigt das Projekt, wie durch enge Zusammenarbeit zwischen Pflegewirtschaft, Immobilienbranche und Behörden neue Wohnformen entstehen können, die Leerstand reduzieren und demografische Entwicklungen aufgreifen.
2. Neukölln: Historischer Gewerbebau am Maybachufer wird zu neuem Wohnquartier umgestaltet

Bis 2029 entstehen im Auftrag der STADT UND LAND Wohnbauten-Gesellschaft mbH rund 160 Wohnungen und 24 Gewerbeeinheiten. / © Visualisierung: grauwald studio
Ein denkmalgeschützter Gewerbebau am Maybachufer 48 in Neukölln wird in ein neues Wohnquartier umgewandelt. Das 1907 errichtete Gebäude diente lange als Möbelfabrik und später als Standort verschiedener Gewerbebetriebe, bevor es leer stand und verfiel. Nun bildet die historische Bausubstanz mit ihren Klinkerfassaden, großen Fensteröffnungen und Kappendecken die Grundlage für ein umfassendes Sanierungs- und Neubauprojekt. Während der Altbau sorgfältig erhalten und umgebaut wird, entstehen zwei ergänzende Neubauten, die das Ensemble städtebaulich vervollständigen. So sollen bis 2029 insgesamt 160 Wohnungen und 24 Gewerbeeinheiten geschaffen werden. Damit zeigt das Vorhaben beispielhaft, wie historische Industriearchitektur mit moderner Wohnnutzung verbunden werden kann.
3. Kreuzberg: GSG plant Mikroapartments als Reaktion auf steigende Büro-Leerstände

In Berlin steigt der Büro-Leerstand. Die GSG plant, leerstehende Flächen in Kreuzberg und Charlottenburg-Wilmersdorf künftig als möblierte Mikroapartments auf Zeit zu vermieten. / © Foto: pixabay
Die Gewerbesiedlungs-Gesellschaft GSG Berlin auf steigende Büro-Leerstände in Kreuzberg, mit der Planung von möblierten Mikroapartments reagiert. Rund 5.000 Quadratmeter sollen an einem Standort umgewandelt werden, weitere Flächen in Charlottenburg-Wilmersdorf befinden sich in Prüfung. Die Apartments sollen befristet vermietet werden und rechtlich als Gewerbe gelten, wodurch Mietpreisregulierungen nicht greifen. Während die GSG mehr Flexibilität bei Nutzungsänderungen fordert, kritisieren Mieterverbände, dass damit kein dauerhafter und bezahlbarer Wohnraum entsteht. Das Projekt zeigt, wie Eigentümer auf den veränderten Büromarkt reagieren, aber auch, wo die Grenzen solcher Konzepte liegen.
4. Weißensee: Bethanienkirche wird zu neuem Wohn- und Kulturort umgebaut

Die Idee, die Ruine der Bethanienkirche einer neuen Nutzung zuzuführen, entwickelte Architekt Bernd Bötzel bereits im Jahr 2001. / © Visualisierung: THIRD / Prinzip 3D Medienagentur GmbH
Am Mirbachplatz in Pankow-Weißensee entsteht derzeit ein außergewöhnliches Umbauprojekt. In der Turmruine der ehemaligen Bethanienkirche und einem angrenzenden Neubau sollen bis Ende 2026 insgesamt 17 Wohnungen entstehen. Drei Einheiten sind im denkmalgeschützten Turm vorgesehen, während der Neubauflügel die Grundfläche des im Krieg zerstörten Kirchenschiffs aufgreift. Die Kombination aus historischer Substanz und moderner Architektur stellt hohe Anforderungen an Planung, Statik und Denkmalschutz. Dennoch kommt das Projekt trotz schwieriger Rahmenbedingungen voran und wird perspektivisch auch kulturelle und gastronomische Nutzungen ermöglichen.
5. Rahnsdorf: Ehemalige Kaserne Hessenwinkel wird zu Wohnquartier

Das ehemalige Kasernengelände Hessenwinkel liegt mitten im Wald und wurde ab den 1950er Jahren militärisch genutzt. Es beherbergte unter anderem das Grenzausbildungsregiment 39, das Soldaten für den Wachdienst an der Berliner Mauer ausbildete. / © Foto: STADT UND LAND
In Rahnsdorf entsteht auf dem Gelände der früheren Ho-Chi-Minh-Kaserne ein neues Stadtquartier mit rund 450 Wohnungen. Nach deutlicher Kritik aus der Bevölkerung wurde das städtebauliche Konzept angepasst und die geplante Gebäudehöhe reduziert. Statt sieben- und achtgeschossiger Bauten sind nun fünf- bis sechsgeschossige Häuser vorgesehen. Trotz der Vereinfachung bleibt die Umsetzung wegen Altlasten und der Lage im Wasserschutzgebiet eine Herausforderung.
6. Schöneberg: Historisches Kirchengebäude wird zu Wohnraum umgenutzt

In Schöneberg hat die Bürgerstadt AG aus einer ehemaligen Kirche ein aufsehenerregendes Wohngebäude gemacht. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
Ein ehemaliges Kirchengebäude in Schöneberg wurde in ein außergewöhnliches Wohnensemble verwandelt. Die Bürgerstadt AG realisierte dort acht Wohnungen in der denkmalgeschützten Kirche und ergänzte das Ensemble durch einen Neubau mit weiteren sechs Einheiten. Ursprünglich 1921 errichtet und nach dem Krieg wiederaufgebaut, bietet das Gebäude nun Eigentumswohnungen mit Flächen zwischen 83 und 204 Quadratmetern. Durch die Verbindung von Altbauarchitektur und moderner Bauweise sind vielfältige Wohnformen entstanden – von Maisonette-Wohnungen bis zum Penthouse. Das Projekt zeigt, wie historische Sakralbauten sensibel für neue Nutzungen geöffnet werden können.
7. Dahlem: Neue Mietwohnungen auf ehemaliger Militärbrache

Sechs hochwertige Stadtvillen mit 55 Mietwohnungen sind an der Saargemünder Straße in Berlin-Dahlem entstanden. Die neuen Mieterinnen und Mieter werden in diesem Jahr einziehen. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
Auf dem Gelände der denkmalgeschützten Metropolitan Gardens ist ein neues Wohnquartier mit 55 Mietwohnungen entstanden. Zwischen 2021 und 2024 wurden sechs Stadtvillen an der Saargemünder Straße errichtet, wo zuvor ein Funkmast des US-Militärs stand. Die Wohnungen bieten zwei bis vier Zimmer und Größen zwischen 55 und 120 Quadratmetern. Das Projekt zeigt, wie ehemalige Militärflächen schrittweise in Wohnraum umgewandelt und denkmalgeschützte Areale städtebaulich integriert werden können.
8. Treptow-Köpenick: Spreequartier Spindlersfeld als Modellquartier

Während ein großer Teil der Gebäude im Spreekarree bereits fertig ist, befinden sich andere noch im Bau. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
Im Ortsteil Spindlersfeld in Treptow-Köpenick entsteht mit dem Spreequartier Spindlersfeld ein neues Wohngebiet, das historische Industrieflächen mit modernen Wohnformen verbindet. Auf einem rund 24.300 m² großen Grundstück plant die Grimm Holding etwa 500 Eigentumswohnungen in sanierten und aufgestockten Bestandsgebäuden. Bereits jetzt sind einige Häuser fertiggestellt, andere noch in Bau, und das Gesamtprojekt soll laut Plan bis 2026 abgeschlossen sein.
9. Kreuzberg: Ehemaliges Bürogebäude am Markgrafenpark wird zu Mikroapartments umgebaut

Im „Markgrafenpark“ sind rund 300 Mikroapartments geplant. Die kleinen Wohneinheiten sind in der Regel vollständig möbliert, funktional gestaltet und oft als Kapitalanlage konzipiert. / © Foto: Wikimedia Commons, Assenmacher, CC BY-SA 3.0
Am Markgrafenpark in Kreuzberg plant der Immobilieninvestor PGIM Real Estate die Umwandlung eines leerstehenden Bürogebäudes in über 300 Mikroapartments. Auf rund 14.000 Quadratmetern sollen kompakte, möblierte Wohneinheiten entstehen, die sich vor allem an Studierende und mobile Berufstätige richten. Der Umbau folgt dem wachsenden Trend, ungenutzte Gewerbeflächen in Wohnraum umzuwandeln, spiegelt aber zugleich die zunehmende Verknappung von klassischem, dauerhaft bezahlbarem Wohnraum wider. Während die Investoren auf Flexibilität und Rendite setzen, kritisieren Mieterverbände die geringe soziale Reichweite solcher Projekte.
10. Tegel: Startschuss für Wohnungsbau im Schumacher Quartier

Reinickendorf bereitet sich auf eines der größten Wohnungsbauprojekte der Stadt vor. Mit dem Schumacher Quartier entsteht in den kommenden Jahren ein Quartier, das Wohnen, Bildung, Freizeit und Grünflächen miteinander verbinden soll. Nun wurde Planungsrecht für die Bildungsinfrastruktur geschaffen. / © Visualisierung: Tegel Projekt GmbH
Auf dem Gelände des ehemaligen Flughafen Berlin-Tegel beginnt mit der Vertragsunterzeichnung zwischen dem Land Berlin und der DEGEWO sowie GESOBAU die Umnutzung im Schumacher Quartier. Das Projekt zählt zu den größten Wohnungsbauvorhaben der Stadt und sieht insgesamt rund 5.000 Wohnungen für etwa 10.000 Menschen vor. Die ersten 320 Wohnungen entstehen auf den Baufeldern 12 und 28, weitere Bauabschnitte sollen folgen. Geplant ist ein nachhaltiges, autoarmes Quartier mit Holzbauweise, Schwammstadt-Prinzip und ökologischer Energieversorgung. Damit wird ein ehemaliger Flughafenstandort Schritt für Schritt in ein neues urbanes Wohnviertel transformiert.
Quellen: ARD, spreeformat, Berliner Morgenpost, Wikipedia, Bernd Bötzel, Architektur Urbanistik Berlin, Bezirksamt Pankow, Prinzip 3D Medienagentur GmbH, THIRD, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Tegel Projekt GmbH, GESOBAU, BUND Berlin, NABU, Berliner Mieterverein. Gloobi.de GmbH & Co. KG, Hauskrankenpflege Dietmar Depner GmbH, Bollinger + Fehlig Architekten, grauwald studio, STADT UND LAND Wohnbauten-Gesellschaft mbH, Bezirksamt Treptow-Köpenick,
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