Zwischen 1877 und 1987 stand in der Spandauer Wilhelmstadt ein Gefängnis, das zu einem global bekannten Ort der NS-Nachgeschichte wurde: das „Spandau Prison“. Heute erinnert nichts mehr an das Gebäude, das nach dem Tod von Rudolf Heß vollständig abgerissen wurde. Eine neue Ausstellung in der Zitadelle Spandau beleuchtet nun erstmals umfassend die Geschichte des Gefängnisses und stellt aktuelle Fragen zur Erinnerungskultur.

Das historische Foto zeigt das ehemalige Kriegsverbrechergefängnis im Berliner Ortsteil Wilhelmstadt, in dem ab 1947 NS-Kriegsverbrecher ihre Haftstrafen verbüßten. Nach dem Tod des letzten Insassen Rudolf Heß wurde das Gebäude 1987 vollständig abgerissen, sodass heute nichts mehr an den Ort erinnert. Oft wird es fälschlicherweise mit der drei Kilometer entfernten Zitadelle Spandau verwechselt. / © Foto: Wikimedia Commons, Bauamt Süd, Einofski, CC BY-SA 3.0
© Fotos: Wikimedia Commons, Bauamt Süd, Einofski, CC BY-SA 3.0
Die neue Ausstellung im Zeughaus der Zitadelle Spandau rückt einen Ort in den Fokus, der längst verschwunden ist und dennoch Fragen bis in die Gegenwart aufwirft. Unter dem Titel „Spandau Prison. 1877–1987“ erzählt sie die wechselvolle Geschichte des ehemaligen Kriegsverbrechergefängnisses in der Wilhelmstadt.
Gezeigt werden historische Objekte, Fotos und erstmals auch private Erinnerungsstücke, die das Leben hinter den Gefängnismauern greifbar machen. Zeitzeugeninterviews eröffnen persönliche Perspektiven, während künstlerische Zugänge wie Comic-Illustrationen neue Wege der Auseinandersetzung ermöglichen. Eröffnet wurde die Schau von Dr. Carola Brückner, Bezirksstadträtin für Kultur, und Museumsleiterin Dr. Urte Evert. Historiker Johannes Fülberth führte in die Thematik ein.
Erinnerungskultur im Fokus: Vergangenheit verstehen, Gegenwart diskutieren in der Zitadelle Spandau
Statt sich allein auf historische Fakten zu konzentrieren, richtet die Ausstellung den Blick bewusst in die Gegenwart. Sie lädt Besucherinnen und Besucher ein, über aktuelle Fragen von Erinnerungskultur, Strafvollzug und Geschichtsbewusstsein zu diskutieren. Wie geht eine Gesellschaft mit Orten der NS-Zeit um, die nicht mehr existieren? Welche Rolle spielt Erinnerung in einer Demokratie und was bedeutet das für den Umgang mit Tätern und Opfern?
Begleitende Vorträge, Diskussionsveranstaltungen und Workshops vertiefen diese Themen und machen die Ausstellung zu einem Ort des Nachdenkens und des offenen Austauschs. Damit wird das historische Gefängnis nicht nur rekonstruiert, sondern auch neu in den Kontext unserer Zeit gestellt.
„Spandau Prison“: Vom Festungsgefängnis zum Ort politischer Verfolgung in der NS-Zeit
Das Gefängnis wurde 1877 errichtet und diente zunächst als „Central-Festungsgefängnis“ für Militärangehörige. Ab 1881 waren hier Soldaten und Kriegsgefangene inhaftiert. Nach einer spektakulären Befreiungsaktion während der Novemberrevolution 1918 wurde das Gebäude zivil genutzt.
Ab 1933 diente es der nationalsozialistischen Regierung als Ort sogenannter „präventiver Schutzhaft“. Politische Gegnerinnen und Gegner wurden dort festgehalten, viele von ihnen später hingerichtet. Erstmals saßen in dieser Zeit auch Frauen ein, unter anderem aus dem polnischen Widerstand.
Rudolf Heß als letzter Häftling: Ende und Abriss des Spandauer Gefängnisses
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die Alliierten das Gefängnis. Es wurde zu einer zentralen Haftanstalt für die beim Nürnberger Hauptkriegsverbrecher-Prozess verurteilten NS-Funktionäre. Unter den sieben Häftlingen befanden sich Albert Speer, Baldur von Schirach und Rudolf Heß. Ab 1966 war Heß der letzte Gefangene. Mehr als 20 Jahre verbrachte er allein in dem weitgehend leerstehenden Gebäude, das streng bewacht wurde.
Nach Heß’ Suizid 1987 beschlossen die Alliierten den vollständigen Abriss des Gefängnisses. Selbst der Bauschutt wurde vernichtet, um eine mögliche Pilgerstätte für Rechtsextreme zu verhindern. Heute erinnert an Ort und Stelle nichts mehr an das Gebäude oder an die Opfer der NS-Zeit, die dort festgehalten wurden.
Spandau Prison Ausstellung 2025/26: Erinnerungskultur am historischen Ort
Das „Spandau Prison“ existiert nicht mehr, doch seine Geschichte prägt bis heute das kollektive Gedächtnis. Die Ausstellung auf der Zitadelle Spandau schafft einen Raum, in dem diese Geschichte greifbar wird. Sie erinnert an politische Gefangene, NS-Kriegsverbrecher, die alliierte Nachkriegszeit und die Leerstelle, die der Abriss hinterlassen hat.
Die Ausstellung begann am 15. August 2025 und läuft bis zum 17. Mai 2026. Am ersten Sonntag im Monat ist der Eintritt frei. Begleitend finden zahlreiche Veranstaltungen statt, die nicht nur historische Einblicke vermitteln, sondern den Diskurs über Erinnerung, Verantwortung und gesellschaftlichen Umgang mit Geschichte anregen.
Quellen: Zitadelle Spandau, Bezirksamt Spandau, Wikipedia, Deutsches Historisches Museum
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