Ehemalige Kaufhäuser werden zu wichtigen Impulsgebern für die Innenstadtentwicklung. Neue Nutzungskonzepte verwandeln die einst monofunktionalen Warenhäuser in lebendige, multifunktionale Stadtbausteine.

Ehemalige Kaufhäuser wie Galeria- und Karstadt-Standorte werden in vielen deutschen Innenstädten umgenutzt. Diese Entwicklung stärkt die Attraktivität zentraler Lagen und wirkt Leerstand entgegen. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT
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Die Dynamik auf dem innerstädtischen Einzelhandelsmarkt hat im laufenden Jahr deutlich zugenommen. Nach einer Phase der Konsolidierung und Unsicherheit sorgen die Nachnutzungen ehemaliger Kaufhausimmobilien derzeit für einen spürbaren Aufschwung. Nach aktuellen Angaben von BNP Paribas Real Estate entfällt fast jeder fünfte neu vermietete Quadratmeter in deutschen Innenstadtlagen auf ein ehemaliges Galeria-Objekt.
Insgesamt wurden in den ersten neun Monaten des Jahres rund 363.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche vermittelt. Ein Wert, der etwa fünf Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre liegt. Besonders ins Gewicht fällt dabei der Anteil der umgenutzten Warenhäuser, die mit rund 66.000 Quadratmetern einen Rekordanteil von fast 20 Prozent am Gesamtvolumen stellen.
Deutsche Innenstädte: Nachvermieter setzen auf Mischnutzung statt Monostruktur
Die Nachvermietung ehemals monofunktionaler Kaufhäuser folgt zunehmend neuen Konzepten. Eigentümer setzen verstärkt auf kleinteilige Vermietungskonzepte, um eine größere Vielfalt an Nutzungen zu ermöglichen. Die durchschnittliche vermietete Fläche pro Abschluss liegt mit rund 1.700 Quadratmetern deutlich unter den Werten der Vorjahre, als häufig noch über 2.500 Quadratmeter pro Mieter vergeben wurden. Ein Beispiel für diese Entwicklung ist das ehemalige Karstadt-Gebäude an der Karl-Marx-Straße in Berlin-Neukölln, in das Anfang September 2025 das „Kalle Neukölln“ eingezogen ist.
Wie aus der Analyse von BNP Paribas Real Estate hervorgeht, achten Eigentümer und Investoren verstärkt auf nachhaltige und langfristig tragfähige Mietverhältnisse. Kooperationen mit Nutzern wie Decathlon sollen dazu beitragen, die Objekte dauerhaft zu beleben. Zudem werde zunehmend darauf geachtet, welche Etagenlagen sich tatsächlich für den Einzelhandel eignen und wie sich diese sinnvoll in ein gemischtes Nutzungskonzept integrieren lassen. Die einst monofunktionalen Warenhäuser entwickeln sich somit zu flexiblen Stadtbausteinen, die verschiedene Nutzergruppen ansprechen. Diese Diversifizierung soll nicht nur Leerstand vermeiden, sondern auch die Aufenthaltsqualität in den Innenstädten erhöhen.
Neue Nutzungstrends: Freizeit, Food und Discount prägen die Nachvermietungswelle
Ein genauer Blick auf die Branchenverteilung verdeutlicht, dass sich die aktuelle Nachvermietungswelle deutlich von der ersten Phase unterscheidet. Besonders stark vertreten sind Anbieter aus dem Freizeit- und Sportsegment, die mittlerweile rund 43 Prozent des Flächenumsatzes in ehemaligen Galeria-Objekten ausmachen. Zu den aktiven Mietern zählen neben Decathlon auch Betreiber von Fitnessstudios oder Sportfachhändler wie Intersport.
Auch Supermärkte und Discounter gewinnen an Bedeutung. Sie stellen etwa 14 Prozent des Nachvermietungsvolumens, während Modeanbieter trotz Rückgangs weiterhin eine zentrale Rolle spielen. Ergänzend treten Non-Food-Discounter wie Woolworth, Tedi oder Action auf, die gezielt auf zentrale Innenstadtlagen setzen. So hat sich Woolworth jüngst für die zentrale Lage des ehemaligen Ring-Centers III in Berlin-Lichtenberg entschieden, wo früher einmal Galeria Karstadt Kaufhof vorzufinden war.
Schlüsselmärkte des Einzelhandels bleiben Großstädte wie Berlin, Hamburg, München und Frankfurt
Neben den zahlreichen Nachvermietungen in ehemaligen Kaufhäusern verzeichnen auch die übrigen Innenstadtlagen eine stabile Nachfrage. Besonders die sieben größten Einzelhandelsmärkte Deutschlands tragen zur positiven Entwicklung bei. Berlin führt mit rund 40.000 vermieteten Quadratmetern die Rangliste an, gefolgt von Hamburg, Stuttgart und München. Auch Frankfurt, Köln und Düsseldorf verzeichnen solide Ergebnisse.
In vielen Fällen profitieren vor allem Einzelhändler, die größere Flächen ab 1.000 Quadratmetern benötigen. Hierzu zählen Buchhändler wie Thalia, Sportanbieter wie Decathlon oder internationale Modeketten. Trotz des Strukturwandels bleibt die Nachfrage nach zentral gelegenen Flächen damit hoch, was die Bedeutung der Innenstädte als Handels- und Begegnungsorte bestätigt.
Umbau von Karstadt- und Galeria-Standorten: Wandel mit Langzeitwirkung
BNP Paribas Real Estate geht davon aus, dass sich die positive Entwicklung im Schlussquartal fortsetzt. Entscheidend werde dabei sein, wie das Weihnachtsgeschäft verläuft, das traditionell als wichtiger Gradmesser für die Branche gilt. Die aktuellen Nachvermietungen in ehemaligen Kaufhäusern gelten dabei als Zeichen einer strukturellen Erneuerung, die weit über kurzfristige Marktimpulse hinausreicht.
Der Umbau von Karstadt– und Galeria-Standorten steht damit exemplarisch für einen nachhaltigen Wandel im deutschen Einzelhandel. Die ehemaligen Warenhäuser entwickeln sich zu multifunktionalen Stadtorten, die Handel, Freizeit und Arbeiten miteinander verbinden und so einen neuen Beitrag zur Belebung der Innenstädte leisten.

Ein Beispiel der Umnutzung: Im ehemaligen Karstadt-Gebäude Tempelhofer Damm in Berlin befindet sich nun ein Lidl-Supermarkt. / © Foto: Lidl
Quellen: BNP Paribas Real Estate, Konii, WGGW.Info, Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, Tagesspiegel, Berliner Zeitung, Kalle Neukölln, Pressestelle Lidl Dienstleistung GmbH & Co. KG, Becken Hamburg, Immobilien Zeitung, Hamburger Abendblatt, Stadt Frankfurt
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