EXPO 2035 in Berlin setzt auf ein dezentrales Konzept: Die ganze Stadt soll zur Bühne für Innovation, Baukultur und nachhaltige Infrastruktur werden. Kiez-Labore, Satellitenstandorte und ein Hauptgelände sollen Projekte sichtbar machen, die Mobilität, Energie und Stadtgrün voranbringen. Das würde die Hauptstadt nicht nur städtebaulich und infrastrukturell verändern, es könnten auch 100.000 Arbeitsplätze im Zuge der Weltausstellung entstehen. EXPO, IBA und eine mögliche Olympia-Bewerbung sollen dabei Hand in Hand gehen.

Die Initiative EXPO 2035 will Berlin bis 2035 zur nachhaltigen Metropole formen, getragen von Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Im Fokus stehen konkrete Projekte: neue Mobilitätsachsen, klimafreundliche Energie, flexible Nachnutzungen und öffentliche Räume von hoher Aufenthaltsqualität. / © Foto: Depositphotos.com

 

© Visualisierung Titelbild: EXPO 2035 Berlin GmbH
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In Zusammenarbeit mit der EXPO 2035 Berlin GmbH

 

Seit kurzer Zeit ist sie überall sichtbar: die Kampagne zur EXPO 2035. Unter dem Motto „Ganz Berlin eine Weltausstellung!“ will die private Initiative EXPO 2035 Berlin GmbH die Weltausstellung in zehn Jahren in die Hauptstadt holen. Das erklärte Ziel: Berlin soll zur ersten nachhaltigen Metropole der Welt werden und mit der EXPO als globales Schaufenster für zukunftsfähige Stadtentwicklung dienen.

Eine Weltausstellung in Berlin: Die Stadt als Bühne für Fortschritt

Mit der Bewerbung verfolgt Berlin ein einzigartiges Konzept: Zum ersten Mal in der Geschichte soll eine Weltausstellung nicht auf einem abgeschlossenen Gelände, sondern über die gesamte Stadt verteilt stattfinden.

Die Metropole selbst wird zur Bühne für lebendigen Fortschritt: von Berlin-Buch bis zum Flughafen BER, vom ICC bis zum Tempelhofer Feld. Das Konzept verbindet urbane Realität mit Vision: Statt einer künstlichen Insel wie in Osaka könnte Berlin selbst zur Plattform für Innovation, Partizipation und gelebte Nachhaltigkeit werden.

EXPO 2035 in Berlin: Innovation, Verbundenheit und Antworten auf globale Herausforderungen

Seit über 170 Jahren machen Weltausstellungen Innovation und gesellschaftlichen Wandel für die ganze Welt erlebbar. Daran knüpft die EXPO 2035 an. Sie will Begeisterung für Zukunft wecken, Menschen verbinden und Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit geben: Wie lassen sich Stadt, Klima und Mobilität neu denken? Wie gelingt die Verbindung von Technologie und Natur, von Wachstum und Nachhaltigkeit? Und wie kann eine Stadt zeigen, dass Demokratie und Innovation keine Gegensätze sind, sondern sich gegenseitig beflügeln?

Im Interview mit ENTWICKLUNGSSTADT sagt Daniel-Jan Girl, Vorsitzender des Aufsichtsrats für die EXPO 2035: „Es gibt in Berlin heute so viele Dinge, die nicht funktionieren, und das müssen wir ändern.“ Die gemeinsame Aufgabe einer Berliner Weltausstellung sieht Girl als Chance, viele Projekte und Themen, die bislang auf ihre Umsetzung warten, endlich anzustoßen: „Die EXPO soll uns helfen, unsere Projekte bis dahin in die Umsetzung zu bekommen.

 Stadtentwicklung, Baukultur, Infrastruktur: Die EXPO als städtebauliche Chance

Für Berlin eröffnet die EXPO 2035 laut Girl die seltene Gelegenheit, Stadtentwicklung, Baukultur und Infrastruktur in einem gemeinsamen Zukunftsprojekt zu denken. Viele der potenziellen Expo-Standorte – etwa der ehemalige Flughafen Tegel, der Clean Tech Business Park in Marzahn, Adlershof oder Schönefeld-Nord – gelten ohnehin als Zukunftsorte, deren Entwicklung bislang ins Stocken geraten ist. Im Windschatten einer EXPO-Bewerbung könnten diese Projekte neuen Schwung erhalten.

Im Fokus soll dabei kein kurzfristiges Spektakel stehen, sondern eine nachhaltige Umgestaltung der Stadt: neue Mobilitätsachsen, eine klimafreundliche Energieversorgung, mehr Grünräume und öffentliche Räume mit hoher Aufenthaltsqualität. Die EXPO könnte so als Katalysator für längst überfällige Investitionen in Verkehr, Digitalisierung, Bildung und Wohnen wirken und für Berlin ein Jahrzehnt der konkreten Umsetzung einläuten.

Mobility Hub am Bundesplatz: So stellt sich das Büro delusearchitects die zukünftige Gestaltung unter der massiven Autobahntrasse der Stadtautobahn vor. So soll der heute unwirtliche und dunkle Ort wieder nutzbar und angenehmer werden. Es ist eines dieser Projekte, die durch eine EXPO 2035 neuen Anschub erhalten könnte. / © Visualisierung: delusearchitects

EXPO, IBA, Olympia: Ein Jahrzehnt der konkreten Umsetzung für Berlin?

Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey spricht von einer „Strecke“, die Berlin in den kommenden Jahren gehen könne: von der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2034, die EXPO 2035, das 800. Stadtjubiläum 2037 bis zu einer möglichen Olympia-Bewerbung im Jahr 2040. Diese Projekte sollen nach den Wünschen der EXPO-Initiatoren nicht miteinander, sondern sich sinnvoll ergänzen: Denn die EXPO soll Sichtbarkeit und Infrastruktur schaffen, während die IBA den architektonischen und sozialen Diskurs über Stadt und Bauen vertiefen könnte.

Olympia könnte schließlich die internationale Strahlkraft Berlins verstärken. Vor allem die Konzepte einer Welt- sowie einer internationalen Bauausstellung sollen demnach ineinander greifen und gemeinsam funktionieren, denn das geplante Konzepte einer EXPO im gesamten Raum würde Berlin natürlich auch architektonisch und städtebaulich stark prägen und dauerhaft verändern.

Gemeinsam könnten diese Ereignisse also eine neue Erzählung der Hauptstadt formen: als Stadt der Innovation, der Freiheit und der Zukunftsgestaltung. Eine Stadt, die über Parteigrenzen hinweg plant und zeigt, dass demokratische Systeme fähig sind, Wandel zu gestalten. So jedenfalls wünscht es sich das Team um Geschäftsführer Henning Wehmeyer sowie die Aufsichtsratmitglieder Daniel-Jan Girl,  Evelyne de Gruyter, Dirk Geuer und Dr. Hinrich Thölken.

PwC: Bruttoinlandsprodukt könnte durch die EXPO um 22 Mrd. Euro steigen

Schon die Vorbereitung auf eine Weltausstellung birgt enorme Chancen. Laut einer Studie von PwC könnte die EXPO das deutsche Bruttoinlandsprodukt um 22 Milliarden Euro steigern und allein in Berlin über 100.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Doch der entscheidende Wert liegt in den langfristigen Effekten: Großveranstaltungen wie diese lösen oft Infrastrukturprogramme, Forschungsförderungen und internationale Investitionen aus. Sie schaffen damit Planungssicherheit und ermöglichen Experimentierräume für neue Formen des Bauens, von Holzmodularchitektur über temporäre Pavillons bis hin zu flexiblen Nachnutzungskonzepten für Schulen, Kitas oder Kulturorte.

Die EXPO 2035 Berlin GmbH setzt dabei auf ein Modell, das Nachhaltigkeit nicht nur thematisiert, sondern praktisch umsetzt: Viele Bauten sollen reversibel sein, also nach der Ausstellung abgebaut und in neue Kontexte überführt werden. So könnten ehemalige Länderpavillons zu Bildungseinrichtungen, Nachbarschaftshäusern oder sozialen Treffpunkten werden. Die Stadt, so Daniel-Jan Girl, könnte dadurch über Jahre hinaus nachhaltig von dem Event profitieren.

Kiez-Labore und Satelliten: die dezentrale Stadt als Bühne

Die geplanten „Kiez Labs“ sind daher auch das Herzstück des dezentralen EXPO-Konzepts. In allen Bezirken sollen kleine, offene Orte entstehen, an denen Bürgerinnen, Start-ups, Künstlerinnen und Forscher Lösungen für lokale Probleme präsentieren, von urbaner Energiegewinnung über Recycling-Initiativen bis zu Smart-City-Projekten.

Diese Orte könnten langfristig als Stadtlabore fortbestehen und Berlins Innovationslandschaft dauerhaft stärken. Ergänzt werden sollen sie durch „EXPO-Satelliten“ an zentralen Orten: im ICC, im Funkhaus Oberschöneweide, in Berlin-Buch oder auf dem Tempelhofer Feld.

Ein Hauptgelände – möglicherweise in Tegel, Marzahn oder am BER – würde die internationalen Pavillons beherbergen und als Knotenpunkt dienen. Die Stadt selbst bliebe dabei das eigentliche Ausstellungsgelände: Berlin als urbanes Reallabor der Zukunft.

Ein dringend benötigter Impuls für Infrastruktur und Verkehr

Neben den architektonischen und kulturellen Impulsen könnte die EXPO 2035 die dringend notwendige Modernisierung der Berliner Infrastruktur beschleunigen. Neue Verkehrskonzepte, zusätzliche Bahnverbindungen, Elektromobilitätsprojekte und begrünte Verkehrsachsen ließen sich im Rahmen des Bewerbungsprozesses anschieben und durch Bundesmittel kofinanzieren.

Auch der öffentliche Nahverkehr könnte profitieren: Erweiterte U- und S-Bahn-Linien, Schnellbusverbindungen zu den Satellitenstandorten und eine engere Verzahnung mit Brandenburg wären denkbare Effekte. Eine EXPO würde die Stadt gewissermaßen „zwingen„, Planungsprozesse zu digitalisieren und Genehmigungen zu beschleunigen, wie Daniel-Jan Girl es nennt: ein entscheidender Schritt für eine moderne Verwaltung.

Auf der Suche nach geeigneten Flächen zum Bau von bezahlbaren Wohnungen könnte ein innovativer, mittlerweile mehrere Jahre alter Vorschlag des Berliner Planungsbüros Lindner eine innovative und spektakuläre Lösung sein. Das Büro schlug eine Überbauung der Berliner Stadtautobahn A100 zwischen Halensee und Hohenzollerndamm vor, um Platz für ein autofreies Quartier mit 3.000 neuen Wohnungen zu schaffen. Ein Ansatz, der durch IBA und EXPO neu aufgegriffen werden könnte. / © Visualisierung: Lindner Planungsbüro

17 Sustainable Development Goals: Nachhaltigkeit als Leitprinzip der EXPO 2035

Im Zentrum der EXPO 2035 steht das Leitbild der 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen. Ziel ist es, sie nicht nur zu zeigen, sondern sie bis 2035 in der Stadt erlebbar zu machen, durch soziale, ökologische und ökonomische Projekte. Das könnte heißen: mehr bezahlbarer Wohnraum, flächendeckende Energieeffizienzprogramme, Stadtbegrünung, Kreislaufwirtschaft, neue Bildungskonzepte und inklusive Quartiersentwicklung.

Die EXPO wäre damit kein isoliertes Event, sondern ein Instrument für die strukturelle Transformation Berlins, getragen von der Stadtgesellschaft selbst. Und genau dieser Ansatz ist Daniel-Jan Girl besonders wichtig, dass die EXPO-Bewegung als Initiative „von unten“ wahrgenommen wird, aus der Berliner Gesellschaft heraus initiiert und nicht von oben herab geplant und aufgesetzt.

Beteiligung der Bevölkerung als zentraler Bestandteil des Konzepts

Die Beteiligung der Bevölkerung soll daher ein zentraler Bestandteil des Konzepts sein. Alle Berlinerinnen und Berliner sind nun also eingeladen, Ideen und Projekte einzureichen, die zeigen, wie die Hauptstadt nachhaltiger, gerechter und lebenswerter werden kann. Bereits jetzt sind über 850 Initiativen bei Global Goals für Berlin registriert. Bis 2035 sollen es genau 2.035 Projekte werden: konkrete, umsetzbare Beiträge zu den 17 UN-Zielen.

So soll ein gemeinsames Zielbild entstehen: eine Stadt, die sich Schritt für Schritt neu erfindet: offen, vielfältig und handlungsfähig. Oder, wie es Architekt Thomas Willemeit von GRAFT formuliert: „Wir wollen die Welt wieder nach Hause bringen.

Berlin braucht eine neue Erzählung: Die EXPO 2035 als Chance

Die EXPO 2035 soll nach Ansicht der Projektverantwortlichen weit mehr als eine Bewerbung um ein internationales Großereignis sein. Sie soll als Entwicklungspfad wahrgenommen werden, der Stadt, Wirtschaft und Gesellschaft zusammenführt. Sie könnte auf diese Art und Weise zum Symbol einer neuen Berliner Haltung werden: mutig, lösungsorientiert und zukunftsgewandt. Eine Haltung, die der Hauptstadt in den vergangenen Jahrzehnten ein stückweit abhanden gekommen zu sein scheint.

Wenn es gelingt, die Kräfte aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu bündeln, kann die EXPO 2035 zu einem Schlüsselprojekt der Stadtentwicklung werden, argumentiert Daniel-Jan Girl. Berlin hätte die Chance, nicht nur Gastgeberin einer Weltausstellung zu sein, sondern Modellstadt einer neuen urbanen Ära mit demokratischen, nachhaltigen und innovativen Leisätzen. So könnte Berlin (wieder) ein Ort sein, an dem Zukunft gemacht wird. Denn, so viel ist klar, mehr als 35 Jahre nach dem Mauerfall muss Berlin langsam aber sicher eine neue Geschichte erzählen wollen. Die EXPO 2035 kann diese neue Geschichte sein.

Nach dem Autobahn-Abriss: So könnte der Breitenbachplatz in Berlin-Dahlem einmal aussehen. Bislang steht auf dem Platz noch eine alte, ungenutzte Autobahnbrücke, die seit vielen Jahren auf ihren Abriss wartet. / © Visualisierung: Patzschke Planungsgesellschaft mbH

Aus der heute betondominierten, ausladenden Verkehrsachse hat das Büro GRAFT Architects in einer Zukunftsvision eine grüne und blaue Stadtlandschaft gemacht, die im Grunde kaum wiederzuerkennen ist, und deren Breite in völlig anderer Weise als bisher genutzt werden könnte. Die EXPO 2035 könnte solche visionären Konzepte in die Umsetzung bringen. / © Visualisierung: GRAFT Architects

Quellen: EXPO 2035 Berlin GmbH, Global Goals für Berlin e.V., GRAFT Architects, delusearchitects, Patzschke Planungsgesellschaft mbH, Lindner Planungsbüro, Berliner Zeitung, Berliner Morgenpost, GRAFT Architects, ENTWICKLUNGSSTADT Podcast „Metropole im Wandel“, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Der Tagesspiegel, RBB, 

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2 Kommentare

  1. Franz 30. Oktober 2025 at 14:16 - Reply

    Bislang hatte ich keinen Sinn in der Expo-Bewerbung gesehen. Das Beschriebene weckt meine Neugier. Nur: dann muss die Umsetzungsgeschwindigkeit in Berlin erheblich dynamischer werden. Sind eigentlich schon die fehlenden Linden an der Kreuzung Unter den Linden/ Friedrichstraße gepflanzt?

  2. Chris 31. Oktober 2025 at 23:43 - Reply

    Toller Plan! Die Zeichen zeigen nur derzeit in eine andere Richtung. Statt Autoverkehr zu reduzieren wird die A100 repariert, um wieder möglichst viel Autoverkehr zu ermöglichen. Der Breitenbachplatz wird weiter im Verkehr aus dem Schlangenbader Tunnel ersticken, der nun doch wieder saniert und eröffnet werden soll, damit die Kieze drumherum wieder möglichst viel Durchgangsverkehr ertragen müssen (und die Stelzen für die kaputte Brücke bleiben stehen, damit man später wieder ne Autobahn drauf bauen kann). Die Wuhlheide soll abgeholzt werden für die TVO, für noch mehr Autos. Die A100 wurde verlängert und soll noch weiter verlängert werden. Radwege und Kiezblöcke werden gestoppt, das Budget für Fußgänger gestrichen. Der Berliner Senat unter Führung von CDU und SPD macht Verkehrspolitik für 1960 statt 2035.

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