Von der Insolvenz wichtiger Baupartner bis zur Air-Berlin-Pleite reihte sich ein Rückschlag an den nächsten. Erst 2020 konnte der Hauptstadtflughafen nach 14 Jahren Bauzeit eröffnet werden. Was als Prestigeprojekt begann, wurde zur Dauerkrise: Der BER-Skandal offenbarte strukturelle Schwächen, Fehlentscheidungen und den Preis endloser Nachbesserungen.

Zwischen Milliardenkosten, Rücktritten und Brandschutzproblemen entstand in Schönefeld ein Jahrhundertprojekt der Superlative – allerdings in negativer Hinsicht. Die Eröffnung des BER wurde zum Symbol für deutsche Baupannen. / © Foto: Günter Wicker / Flughafen Berlin Brandenburg
© Foto Titelbild: Günter Wicker / Flughafen Berlin Brandenburg
Die permanenten Verzögerungen und ständigen Absagen der Eröffnungstermine, die langsam mehr als peinlich wurden und die Spötter auf den Plan riefen, führten folgerichtig zu Finanzierungsengpässen.
Ob den Verantwortlichen die Auswirkungen dieser Verzögerungen bewusst waren und ob sie lediglich auf gravierende Fehler der Geschäftsleitung zurückzuführen sind, sollte in einem später einberufenen Untersuchungsausschuss zur Sprache kommen.
Finanzielle Probleme des Flughafens BER verschärften sich drastisch
Medienberichten zufolge war die Liquidität des Flughafens so stark strapaziert, dass die vorhandenen Mittel nur noch bis November 2012 verfügbar gewesen wären. Eine weitere Kreditinanspruchnahme der Flughafengesellschaft war damit ausgeschlossen.
Aufgrund dieser angespannten Finanzlage genehmigten die Gesellschafter – der Bund sowie die Länder Berlin und Brandenburg – eine Zusatzfinanzierung von 1,2 Milliarden Euro unter Berufung auf die geplante Eröffnung des Flughafens im Oktober 2013.
Milliardenunterstützung verhinderte drohende Insolvenz, geplante Eröffnung im Oktober 2013
Wäre diese Zusatzfinanzierung, allerdings auch nur mit nachhaltiger Zustimmung der EU, nicht zustande gekommen, hätte der Flughafen zum Ende des Jahres 2012 Insolvenz anmelden müssen.
Die Flughafengesellschaft bezifferte 2012 die Kosten für die verzögerte Inbetriebnahme auf 15 Millionen Euro pro Monat; im April 2013 lagen sie bereits bei 35 bis 40 Millionen Euro. Aufgrund dieser Bauverzögerungen schrieb die Flughafengesellschaft im Jahr 2012 einen Verlust von 185 Millionen Euro.
Flughafendesaster in Schönefeld: Weitere öffentliche Gelder notwendig
Neben der genehmigten Zusatzfinanzierung wurden im Jahr 2013 weitere 169 Millionen Euro an öffentlichen Finanzhilfen notwendig, allerdings zu Lasten einzelner Etatposten, unter anderem beim Bundesverkehrsministerium.
Welche Auswirkungen diese Verzögerungen der Inbetriebnahme des mittlerweile skandalgeschüttelten Großprojekts auf die zukünftigen Nutzer hatten, zeigt sich am augenscheinlichsten am Beispiel der Fluggesellschaft Air Berlin. Deren Chef Joachim Hunold hatte sich, trotz anfänglicher Kritik anderer Fluggesellschaften an der Machbarkeit des Flughafenneubaus, stark für das Projekt eingesetzt und den Neubau vehement verteidigt. Die Gründe dafür lagen auf der Hand: Sein Unternehmen mit damals rund 150 Flugzeugen war schließlich der wichtigste Kunde des neuen Flughafens.
Air Berlin verklagt Flughafenbetreiber auf Millionenentschädigung
Anfang November 2012 teilte das Landgericht Potsdam mit, dass Air Berlin eine Feststellungsklage gegen die Betreibergesellschaft des Flughafens Berlin Brandenburg GmbH eingereicht hat.
Demnach verlangte Air Berlin Schadenersatz in Höhe von 48 Millionen Euro und begründete den finanziellen Schaden mit der verschobenen Eröffnung noch vor dem Winterbetrieb am Flughafen Tegel.
Vorherige Gespräche zwischen der Betreibergesellschaft und Air Berlin über einen möglichen Schadenersatz waren erfolglos verlaufen. Die Betreibergesellschaft vertrat den Standpunkt, dass kein Anspruch auf Schadenersatz bestünde, da mit Air Berlin vertraglich kein fixer Eröffnungstermin vereinbart worden sei. Welche Konsequenzen das letztendlich für die Fluggesellschaft Air Berlin hatte, ist hinlänglich bekannt.
Auch die Bahn erhob Schadenersatzklage, neuer Flughafenchef sollte Vertrauen wiederherstellen
Auch die Deutsche Bahn erhob Klage gegen die Betreibergesellschaft des Flughafens und forderte Schadenersatz aufgrund der nicht eingehaltenen Termine zur Inbetriebnahme. Mit der Berufung Hartmut Mehdorns als neuem Flughafenchef versprach sich der Aufsichtsrat eine schnelle Aufarbeitung der Altlasten, sodass das Projekt endlich Fahrt aufnehmen würde.
Am 13. August 2013 stimmte der Aufsichtsrat daher zu, dass Mehdorn den Flughafen teilweise öffnen könne. Dazu wollte er in einem Seitenflügel des Terminals ab Juli 2014 einen Probebetrieb aufnehmen, um Systeme und Abläufe zu testen.
Geplanter Probebetrieb in Schönefeld kurzfristig gestoppt
Plötzlich stoppte Mehdorn den Plan mit der Begründung, es fehle an Unterstützung durch den Aufsichtsrat. Die Nennung eines Eröffnungstermins wurde daraufhin erneut verschoben. Nicht ohne Grund hatte man im Mai 2014 den bisherigen Planer der Brandschutzanlage, di Mauro, gekündigt.
Man war dahintergekommen, dass er gar kein Ingenieur war, sondern technischer Zeichner; ein Hochstapler also, den man für die nicht funktionierende Entrauchungsanlage verantwortlich machte. Sie galt als eine der Hauptursachen für das Desaster am neuen Berliner Flughafen.
Neuer Technikchef und anhaltende Probleme beim Brandschutz
Neuer Technikchef wurde schließlich Jörg Marks, ein Siemens-Mann, der am 9. November 2014 in einem internen Bericht kritisierte, dass zu diesem Stichtag nur 15 Prozent der Brandschutzmängel behoben waren. Ein vertrauliches Schreiben wurde in der Öffentlichkeit publik und verriet, dass der Flughafen Mitte 2014 von der Pleite bedroht war. Wen wundert das, bei den permanent fortschreitenden Verzögerungen der Eröffnungstermine und den damit ausbleibenden Einnahmen.
Die sich weiterhin verschlechternde Finanzlage der Flughafengesellschaft nötigte den Deutschen Bundestag, mit Zustimmung der EU, dazu, weitere Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Es ging um 1,1 Milliarden Euro, die Mehdorn zuvor beim Aufsichtsrat eingefordert hatte – und er bekam sie auch.
Flughafen BER: Gesamtkosten stiegen auf über fünf Milliarden Euro
Ende 2014 beliefen sich die Gesamtkosten auf 5,4 Milliarden Euro. Niemand wollte den neuen Berliner Flughafen planen. Eine europaweite Ausschreibung für die zentrale Planung und Baukoordinierung am BER wurde gestoppt, offenbar, weil keine brauchbaren Angebote eingegangen waren.
Zur Überraschung aller gab Hartmut Mehdorn im Dezember 2014 einen Eröffnungstermin zwischen Juni und September 2017 bekannt. Unklar blieb allerdings, ob der Flughafen bis dahin überhaupt fertiggestellt sein würde.
Rücktritt von Mehdorn und neue Leitung durch Karsten Mühlenfeld
War er natürlich nicht. Da sich Mitte 2015 abzeichnete, dass der von Mehdorn vorgegebene Eröffnungstermin im Jahr 2017 nicht zu halten sein würde, trat Hartmut Mehdorn zurück und räumte seinen Chefposten. Karsten Mühlenfeld wurde zum neuen Geschäftsführer bestellt, ein früherer Rolls-Royce-Manager.
Bisher managte Mühlenfeld die Fertigung von Flugzeugmotoren – immerhin Flugzeugmotoren! Zu seinem Dienstantritt ließ er in einem Interview verlauten: „Nun kann ich zeigen, was in mir steckt“ – nun, die Zeit sollte das beantworten.
Technikprobleme blieben ungelöst – neue Mängel im Terminal
Doch die Technikprobleme waren noch lange nicht behoben. Nach einem Bericht der DPA mussten im BER viele Türen neu verkabelt werden, da sie im Brandfall nicht ordnungsgemäß schlossen – eine planmäßige Entrauchung war so nicht möglich. Zudem gab es weiteren Umbaubedarf an der Sprinkleranlage. Dort mussten Rohre ausgetauscht werden, was langwierige Arbeiten in den Deckenhohlräumen über den Terminalgängen nach sich zog.
Im September 2015 verhängte die Baubehörde sogar einen Baustopp für das gesamte Terminal, da an einigen Deckenfeldern am Hallendach zu schwere Rauchgasventilatoren montiert worden waren. Neben diesen diversen technischen Problemen wurden zudem Risiken im Zusammenhang mit dem Einbau von Ganzkörperscannern bekannt. Anfang Oktober durfte dann weitergebaut werden.
Insolvenz von IMTECH sorgte für neue Unsicherheit am BER
Im August 2015 meldete die deutsche Tochtergesellschaft des niederländischen Baukonzerns IMTECH Insolvenz an. Damit war eine der wichtigsten Baufirmen der Großbaustelle zahlungsunfähig. Das könnte die Bauarbeiten weiter verzögern, sagte der neue Flughafenchef Karsten Mühlenfeld, hielt jedoch dennoch am geplanten Eröffnungstermin 2017 fest.
Der Vorsitzende des mittlerweile einberufenen Untersuchungsausschusses zur geplatzten Inbetriebnahme des Flughafens im Jahr 2012, Martin Delius (Piraten), verkündete indes, dass der anvisierte Eröffnungstermin im zweiten Halbjahr 2017 stark gefährdet sei.
Neuer Generalplaner nach jahrelanger Suche
Die Flughafengesellschaft gab im August 2015 bekannt, dass sie sich mit IMTECH „auf eine Fortführung der Arbeiten am BER geeinigt habe“. Und, endlich, nach dreijähriger Suche, wurde Ende 2015 die Ingenieurgesellschaft Schüßler-Plan als neuer Generalplaner benannt.
Er war gerade einmal 100 Tage im Amt, als der neue Pressesprecher der Flughafengesellschaft einer Fachzeitschrift ein Interview gab. Darin sagte Daniel Abbou, die alte Flughafencrew habe „zu viel verbockt“ und „zu viele Milliarden in den Sand gesetzt“. Das war es für ihn – er wurde von seinem Posten freigestellt mit der Begründung, dass das Interview nicht mit der Geschäftsführung abgestimmt worden sei. An dem geplanten Eröffnungstermin im zweiten Halbjahr 2017 hielt man dennoch fest.
Offizielle Absage der BER-Eröffnung 2017, Lütke Daldrup übernahm Leitung
Am 6. März 2017 verkündete Karsten Mühlenfeld offiziell, dass die Eröffnung 2017 nicht stattfinden werde. Kurz darauf verließ der BER-Chef vorzeitig das Unternehmen – „er habe eine Vertragsauflösung unterschrieben“, hieß es aus Aufsichtsratskreisen, auf die sich die DPA berief. Mühlenfeld hatte somit nur zwei Jahre Zeit, als Flughafenchef am BER zu zeigen, was in ihm steckt.
Der Berliner Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup wurde daraufhin neuer Geschäftsführer der Berliner Flughäfen. Er sollte nun mit dem sprichwörtlichen „Marschallsstab im Tornister“ den mittlerweile fünfmal verschobenen Eröffnungstermin des BER endgültig ins Ziel bringen.
Doch die Zeit drängte: Neben den bereits gewährten Finanzspritzen verschlang der leerstehende Flughafen monatlich rund 17 Millionen Euro Betriebskosten. Hinzu kamen fehlende Mieteinnahmen in Höhe von 13 bis 14 Millionen Euro.
Rückzug von Michael Müller aus dem Aufsichtsrat, Endgültiger Eröffnungstermin festgelegt
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller kündigte an, den Aufsichtsrat des Unternehmens zu verlassen, was er kurze Zeit später auch tat. Im Dezember 2017 gab Engelbert Lütke-Daldrup den Oktober 2020 als neuen und hoffentlich endgültigen Eröffnungstermin bekannt.
Die Insolvenz von Air Berlin im August 2018 war ein weiteres Problem für den Flughafen, denn mit dem Wegfall der Airline wurde deutlich, dass der Flughafen voraussichtlich vorerst nicht zu einem wichtigen Luftfahrt-Drehkreuz werden würde.
7,3 Milliarden Euro: Fortschritte beim Bau und neue Kostensteigerung
Im Februar 2018 erfolgte die baurechtliche Abnahme des Pier Süd. Nach der Abnahme des Nordpiers waren damit die ersten wesentlichen Gebäudeteile des neuen Flughafens für den Passagierverkehr betriebsbereit. Parallel dazu wurde eine weitere Erhöhung der Gesamtkosten auf 7,3 Milliarden Euro bekannt.
Im März 2018 wurde die geplante Entrauchungslösung im Übergangsbereich zwischen Flughafen-Bahnhof und Hauptterminal vom TÜV genehmigt. Im Sommer 2018 wurde schließlich der Bau des Billigflieger-Terminals T2 genehmigt, dessen Errichtung noch von Hartmut Mehdorn initiiert worden war.
Der Finanzbedarf dieses „stark funktional konzipierten“ Gebäudes wurde bereits vor dem Baustart auf 200 Millionen Euro verdoppelt. Die Fertigstellung des zusätzlichen Terminals sollte parallel zum Hauptterminal bis Oktober 2020 erfolgen.
Hauptstadtflughafen: TÜV-Abnahme der Brandschutzanlage als Schlüsselhürde
Eine der wichtigsten zu überwindenden Hürden für die Flughafeneröffnung war die Brandschutzanlage. Nach mehreren vorherigen TÜV-Verweigerungen konnte im April 2019 die Brandschutzanlage endlich abgenommen werden – allerdings mit einigen Auflagen, die im Nachhinein noch abzuarbeiten waren.
Am 25. Juli 2019 kündigte die Flughafengesellschaft den 29. Juli als Termin der sogenannten Wirk-Prinzip-Prüfung an, bei der das Zusammenspiel aller technischen Anlagen des Hauptterminals überprüft werden sollte. Bereits zuvor hatte der TÜV Brandenburg die einzelnen Anlagen geprüft und abgenommen.
Die Wirk-Prinzip-Prüfung konnte Ende September 2019 vorzeitig abgeschlossen werden und verlief nach Aussagen des Aufsichtsrats besser als erwartet. Allerdings bestanden weiterhin Mängel an sicherheitsrelevanten Kabeln und deren Befestigung. Die Behebung dieser Mängel verzögerte die Baufertigstellungsanzeige vom Oktober 2019 auf Februar 2020.
Fertigstellung verzögerte sich ein letztes Mal durch Pandemie und Restmängel
Medienberichten zufolge waren im Februar 2020 noch 5.000 der anfänglich 16.500 Mängel an den Kabeltrassen nicht beseitigt bzw. vom TÜV abgenommen. Damit bestand die Gefahr weiterer Verzögerungen bei der endgültigen TÜV-Abnahme. Aufgrund der damaligen COVID-19-Pandemie konnte auch der Probebetrieb nicht wie vorgesehen im Februar 2020, sondern erst Mitte des Jahres stattfinden.
Im April 2020 erklärte Flughafenchef Engelbert Lütke-Daldrup im Sonderausschuss des Brandenburger Landtags, dass alle erforderlichen Dokumente der Bauaufsichtsbehörde übergeben worden seien. Am 28. April erfolgte schließlich die Freigabe des Hauptterminals durch die Bauaufsichtsbehörde des Landkreises Dahme-Spreewald.
Freigabe und offizielle Eröffnung des Flughafens BER
Vor der eigentlichen Flughafeneröffnung wurde im September 2020 das Terminal T2 nach zweijähriger Bauzeit fertiggestellt. Das Gebäude ging jedoch erst 2021 in Betrieb, da das Flugaufkommen während der Pandemie stark reduziert war. Am 31. Oktober 2020 erfolgte schließlich die Eröffnung des Hauptterminals für den Passagierverkehr, fast 14 Jahre nach dem offiziellen ersten Spatenstich.
Fortsetzung folgt…
Quellen: Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, Deutsches Architektur Forum, Gemeinde Schönefeld, Wikipedia, Architektur Urbanistik Berlin, berlin.de, Skytrax, World Airport Awards, Future Travel Experience, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, ORAT-Consulting, Planungsgemeinschaft Berlin-Brandenburg International, TÜV Brandenburg
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