Vom ambitionierten Baustart bis zum wiederholten Desaster: Der dritte Teil unserer Serie erzählt, wie Planungsfehler, politische Fehlentscheidungen und technische Mängel den BER immer wieder zu Fall brachten. Ein Blick in die Jahre, in denen Berlin seinem Flughafen hinterherbaute – und das Drama schlicht und ergreifend kein Ende finden wollte.

Als 2006 die Bagger rollten, glaubten Politik und Öffentlichkeit an den Erfolg des Hauptstadtflughafens. Doch es folgten Planungschaos, Milliardenkosten, vier geplatzte Eröffnungstermine – und ein Sinnbild für deutsches Großprojektversagen. / © Foto: Depositphotos.com

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Unmittelbar vor dem ersten Spatenstich zum Flughafenneubau sorgte die massive Kritik, vor allem des Billigfliegers EasyJet, nochmals für Wirbel. Der Geschäftsführer des Unternehmens hatte vor Baubeginn die Wirtschaftlichkeit des geplanten Flughafens angezweifelt und vor überhöhten Gebühren und Ticketpreisen gewarnt.

Vor dem Spatenstich für den Flughafen BER: Kontroverse Diskussionen im Vorfeld

Diverse andere Airlines wiesen diese Kritik des Billigfliegers entschieden zurück. Air-Berlin-Chef Joachim Hunold, einer der wichtigsten Ankerkunden dieses Vorhabens, äußerte sich dazu, indem er betonte, dass die Planung des Flughafens BBI stehe und nun so schnell wie möglich realisiert werden solle. Er wusste natürlich am besten, wovon er spricht.

Auch ein Lufthansa-Sprecher ergänzte Hunolds Aussage insofern, als er ausführte, dass „es überhaupt keinen Grund gebe, das Projekt schlechtzureden“.

Flughafen-Neubau in Schönefeld: Baustart 2006 und geplanter Eröffnungstermin 2011

Somit stand der Baubeginn am 5. September bereits unter keinem guten Stern und begann mit erheblichen Planungsverzögerungen, denn die ursprüngliche Planung aus dem Jahr 1997 hatte noch eine Inbetriebnahme für das Jahr 2007 prognostiziert. Auch die gescheiterte Privatisierung 2003 trug wesentlich dazu bei, dass dieser erste Eröffnungstermin 2007 nicht zustande kam und daraus weitere Verzögerungen resultierten.

Vielleicht auch ein Grund, weshalb keine angemessene Eröffnungsfeier stattfand. Der Hauptgrund für die Verzögerungen war jedoch eine verfehlte Bauplanung, die dazu führte, dass der Flughafenneubau durch die zuständige Aufsichtsbehörde nicht freigegeben wurde – ebenso wie eine mangelhafte Bauaufsicht. Trotzdem wurde im April 2007 der Bau des Hauptterminals genehmigt, mit dem 30. November 2011 als geplantem Beginn des Flugbetriebs.

Fehlende Gesamtverantwortung: Kein Generalunternehmer für Berlins Großflughafen

Diese von der Aufsichtsbehörde bemängelte Bauaufsicht geht auf eine Entscheidung des damaligen Berliner Senats zurück, der das zunächst favorisierte „Generalunternehmer-Konzept“ ausschlug, da man Preisabsprachen zwischen den Anbietern vermutete.

Die einzelnen Gewerke sollten von der Flughafengesellschaft koordiniert werden, die dann in den Jahren 2008 und 2009 vergeben wurden. Die Kosten für den Bau des Flughafens wurden nun mit 2,018 Milliarden Euro beziffert.

Fehlentscheidung der Gesellschafter: Verzicht auf einen Generalunternehmer

Dieser von den Gesellschaftern gewollte Verzicht auf einen Generalunternehmer – also der Verzicht auf Fachleute – resultierte aus dem Bestreben heraus, Kosten zu sparen, weil man großspurig die Meinung vertrat, „alles selber machen zu können“.

Bei einem Großprojekt dieses Ausmaßes ist die Beauftragung eines Generalunternehmens, der sämtliche Aktivitäten der einzelnen Gewerke auf der Baustelle koordiniert, unerlässlich. Diese fatale Fehleinschätzung sollte zu einer unsäglichen Chronik des Versagens, zu einer Reihe von Skandalen, erheblichen Mehrkosten und zu mehreren gescheiterten Eröffnungsterminen führen.

2008: Bau des Hauptterminals und erste Umplanungen

Im Jahr 2008 erfolgte der Baustart des Hauptterminals; der darunter befindliche Flughafenbahnhof war zu diesem Zeitpunkt bereits als Rohbau fertiggestellt. Eine erste große Planänderung für das Hauptterminal wurde schon 2009 vorgenommen, denn nachträglich wurde jetzt ein Zwischengeschoss eingeschoben.

Außerdem wurden die ursprünglich kalkulierten Passagierkapazitäten von 22 auf 27 Millionen erhöht. Diese Umplanungen führten zu Mehrkosten, die zusätzlich finanziert werden mussten. Am 30. Juni 2009 stand dann die Finanzierung.

2009: Größte Infrastrukturfinanzierung in ganz Europa

Ein Konsortium aus sieben deutschen Banken plus der EIB (Europäische Investitionsbank) stemmte gemeinsam die damals größte Infrastrukturfinanzierung in ganz Europa. Das Investitionsvolumen lag bei 2,5 Milliarden Euro und bestand aus drei Teilen: einem Gesamtkredit über 2,4 Milliarden Euro, einer Gesellschaftereinlage über 430 Millionen Euro und einem Eigenfinanzierungsbeitrag der Berliner Flughäfen in Höhe von 440 Millionen Euro.

Es ist anzunehmen, dass das Bankenkonsortium inklusive der Gesellschafter und die Berliner Flughäfen erkannt hatten, dass mit dem Bau des Flughafens Berlin-Brandenburg International (BBI) die einzigartige Chance bestand, die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg in die weltweiten Verkehrsströme der globalisierten Wirtschaft einzuklinken.

Zweite Absage im Juni 2010: Eröffnungstermin erneut verschoben

Der für November 2011 geplante Eröffnungstermin musste dann jedoch abgesagt werden. Die Entscheidung dazu fiel im Juni 2010. Als Gründe für die Verzögerungen im Bauablauf wurden ein extrem kalter Winter und neue EU-Sicherheitsrichtlinien für Gepäckkontrollen genannt, die weitere Baumaßnahmen erforderten. Außerdem hatte ein beteiligtes Ingenieurbüro Insolvenz angemeldet.

Nun sollte es sieben Monate später klappen. Dazu tönte Klaus Wowereit: „Wir wollen, dass Druck im Kessel bleibt.“ Angeblich befindet sich der Bau „ein Jahr in Verzug.“ Als hätte es der Regierende Bürgermeister Berlins geahnt, denn so richtig „Druck im Kessel“ war endgültig im Frühsommer. Erst vier Wochen vor dem 3. Juni 2012 wurde die Inbetriebnahme erneut abgesagt.

Frühsommer 2012: Brandschutzmängel stoppten die nächste Eröffnung

Die Brandschutzanlage könne nicht abgenommen werden, sagte Flughafenchef Rainer Schwarz. Dass diese bereits im Dezember 2011, bei einer ersten Vorabnahme, erhebliche Mängel aufwies, verschwieg er geflissentlich. Es wäre also genug Zeit bis zur geplanten Inbetriebnahme gewesen, diese Mängel abzustellen.

Und Klaus Wowereit weiter: „Dass man nicht in der Lage ist, so ein Ding hinzukriegen oder rechtzeitig Alarm zu schlagen, dafür hat meine Fantasie bisher nicht ausgereicht.“ Dennoch sei der BER eine „Erfolgsgeschichte“, so Wowereit. Und Matthias Platzeck, der Brandenburger Ministerpräsident, schimpfte: „Ich verhehle nicht, dass ich stocksauer bin.“

Wie weiter mit der Dauerbaustelle in Schönefeld? Neue Termine und steigende Kosten

Wowereit und Platzeck rechneten nun mit einer Eröffnung nach den Sommermonaten, die Rede war von August 2012. Wenige Tage später wurde dann der 17. März 2013 genannt – diesmal aber wirklich! Inzwischen stieg der 2009 kalkulierte Eigenfinanzierungsbeitrag der Berliner Flughäfen um weitere 90 Millionen auf nunmehr 530 Millionen Euro.

Es war geplant, vor der operativen Inbetriebnahme eine Testphase durchzuführen, danach sollte die Umzugsphase eingeleitet werden. Die Vorplanung der Organisation des Umzugs dauerte vier Jahre, und für die Durchführung kalkulierte man zehn Wochen.

Flughafen BER: Vorbereitung des Umzugs und erneutes Scheitern

Vorgesehen war, in der Nacht vom 2. auf den 3. Juni 2012 mit einem logistischen Kraftakt alles aus den 80 Gebäuden der Flughäfen Tegel und Schönefeld zum neuen Flughafen BER zu transportieren. Eigens zu diesem Zweck sollte die in südlicher Richtung verlaufende Stadtautobahn zwischen 22 Uhr und 3.00 Uhr des 3. Juni 2012 für rund 600 Fahrten von Schwer- und Sondertransporten gesperrt werden.

Weitere 2.500 Lastwagen hätten den Inhalt der Büros, Lager, Archive, Gastronomen, Einzelhändler und sonstiger Dienstleister – insgesamt 190 Nutzer – der alten Flughäfen und des neuen Flughafens größtenteils im Voraus verladen und umgezogen.

Mammut-Umzug wurde abgesagt, fehlende Perspektive für den neuen Großflughafen im Berliner Südosten

Am Morgen des 2. Juni 2012 sollten die ersten Flugzeuge nach Schönefeld überführt werden. Das hieß, sie hätten nicht ihr normales Ziel Tegel, sondern wären nach Schönefeld geflogen, wo die Flugzeuge zur Inbetriebnahme geparkt worden wären.

Bis zum Nachmittag sollte sich dann die Zahl der in Schönefeld landenden Flugzeuge – die eigentlich Tegel angeflogen hätten – erhöhen, und am Abend des 2. Juni sollten bereits die ersten Passagiere am neuen Terminal abgefertigt werden. So waren die Planungen für den Umzug, die am 8. Mai 2012 abgesagt wurden. Ebenso wurde die für den 24. Mai geplante Eröffnungsfeier für geladene 40.000 Gäste – Kosten rund zwei Millionen Euro – storniert.

Den Umzug sollte übrigens die ORAT-Consulting durchführen, ein Unternehmen der Münchner Flughafengesellschaft, das bereits 1992 den „Über-Nacht“-Umzug vom alten Münchner Flughafen Riem zum neuen Flughafen Franz-Josef-Strauß im Erdinger Moos erfolgreich durchgeführt hatte.

Technische Schwierigkeiten beim Brandschutz: Flughafengesellschaft zog die Reißleine

Neben den bereits genannten Problemen zur Absage des Eröffnungstermins gingen nach Medienberichten die technischen Schwierigkeiten über den Brandschutz hinaus – beispielsweise betrafen sie auch die Türsteuerungen und diverse IT-Probleme. Nur 50 bis 60 Prozent der Abläufe sollen wie vorgesehen funktioniert haben.

Daraufhin zog die Flughafengesellschaft am 23. Mai 2012 die Reißleine und kündigte die Planungsgemeinschaft Berlin-Brandenburg International (pg bbi) fristlos. Der technische Direktor Manfred Körtgen wurde zum 31. Mai 2012 entlassen.

Flughafengesellschaft: Klage gegen die Planungsgesellschaft

Mitte Juni 2012 reichte die Flughafengesellschaft vor dem Landgericht Potsdam eine Klageschrift gegen die von gmp geführte Planungsgesellschaft ein. Demnach sollen die Arbeiten an der Sicherheitstechnik Ende 2010 bereits 15 Monate in Verzug gewesen sein. Als Schadenersatzsumme rief man über 80 Millionen Euro auf.

Trotz des auf der Baustelle BER herrschenden Chaos vergab das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung die neuen Flugrouten und orientierte sich dabei weitgehend an den Vorschlägen der Fluglärmkommission. Für die Anwohner war ein umfangreicher Schallschutz vorgesehen. Auf Vorschlag des neuen Technikchefs Amann wurde die Eröffnung des BER auf den 27. Oktober 2013 verlegt. Die Kosten für das Bauvorhaben stiegen auf 4,3 Milliarden Euro.

November 2012: Dritter Eröffnungstermin und neue Zweifel

Im November 2012 verkündete der Aufsichtsratschef Klaus Wowereit: „Wir sind im Zeitplan“ – und nahm dabei Bezug auf den von Amann vorgeschlagenen, mittlerweile dritten Eröffnungstermin. Woher Klaus Wowereit diese Überzeugung zur Einhaltung des Zeitplans nahm, bleibt wohl sein Geheimnis.

Denn im Dezember 2012 kamen noch mehr Baumängel zum Vorschein, etwa zu kurze Rolltreppen, in die Lüftung laufendes Regenwasser und neue Probleme beim Brandschutz. Ein internes Mängelprotokoll offenbarte zahlreiche weitere Defizite am BER.

Turmbau zu Babel in Schönefeld: Kapazitätsprobleme und weitere Mängelberichte

Mehrere Gutachten gingen zudem davon aus, dass der Flughafen bereits vor seiner Eröffnung an seine Kapazitätsgrenzen stoßen könnte. Nach Bekanntwerden dieser Baumängel wurde im Januar 2013 die für Oktober geplante Eröffnung zum vierten Mal verschoben.

Als Konsequenz des bisherigen Geschehens übernahm Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck von Berlins Regierendem Bürgermeister Wowereit den Aufsichtsratsvorsitz. Rainer Schwarz musste als Geschäftsführer seinen Hut nehmen.

Neuer Flughafenchef: Mehdorn auf der Suche nach einen neuen Eröffnungstermin

Auf Vorschlag von Platzeck, Wowereit und Ramsauer, dem damaligen Bundesverkehrsminister, ernannte man den ehemaligen Bahnchef und Manager Hartmut Mehdorn zum neuen Flughafenchef.

Er sollte es nun richten, und seine vorrangigste Aufgabe bestand wohl darin, neben dem Abstellen der bekannten Baumängel, neue Wege für einen realistischen Termin zur Inbetriebnahme des Flughafens zu finden. Ein neuer Eröffnungstermin wurde vorerst aber nicht genannt.

Fortsetzung folgt…

Quellen: Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, Deutsches Architektur Forum, Gemeinde Schönefeld, Wikipedia, Architektur Urbanistik Berlin, berlin.de, Skytrax, World Airport Awards, Future Travel Experience, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, ORAT-Consulting, Planungsgemeinschaft Berlin-Brandenburg International

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One Comment

  1. a.tirpitz 30. Oktober 2025 at 13:39 - Reply

    Als jemand der viel in Asien unterwegs ist, kann ich nur sagen, dass dieser Flughafen daherkommt, wie weit in der Vergangenheit zurückliegend gebaut. Mal von der zentralen Halle abgesehen, ist das ganze Teil in seiner Muffigkeit, den klaustrophobischen Räumen, in seiner Farb-und Materialwahl so etwas wie ein Anzug von gestern. Auch das ganze Umfeld mit den drittklassigen JWD-Hotels hat schon was Peinliches für eine Hauptstadt Europas.
    Deswiteren ist man auch baff erstaunt, wieviel dort draußen immer wieder improvisiert wird. Aber vielleicht ist der BER auch nur der richtige Ausdruck für diese Stadt, die sich im Klein-Klein verliert und sich visionär vorkommt, wenn man nur die Knöpfe Nachhaltigkeit, Klimaresilienz und Innovativ in Sprech und Schrift drückt… Ich vermeide mittlerweile außerhalb Europas zu erwähnen, dass ich aus Berlin angereist bin.

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