5 Jahre Hauptstadtflughafen BER: Die Standortwahl für den künftigen Berlin-Brandenburger Flughafen war keine planerische, sondern eine politische Entscheidung, mit jahrzehntelangen Folgen. Im zweiten Teil unserer Serie beleuchten wir einen Konsensbeschluss, Rechtsstreitigkeiten und das Scheitern der Privatisierungspläne rund um den Standort Schönefeld.

Mit dem Konsensbeschluss von 1996 wurde der Grundstein für den Hauptstadtflughafen gelegt – nicht auf der Baustelle, sondern in politischen Verhandlungen. In dieser Folge der Serie zeichnen wir nach, wie Standortwahl, Klagen und Investorenpläne das Projekt prägten. / © Foto: Depositphotos.com

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Der in dem Spitzengespräch am 28. Mai 1996 zwischen Bundesverkehrsminister Wissmann und den beiden Länderchefs Wowereit und Stolpe gefasste Beschluss für Schönefeld als Standort des neuen Flughafens enthielt als Bedingung, dass der Flughafen als Single-Standort unter Beteiligung privater Investoren zu entwickeln sei.

Die beiden noch betriebenen Flughäfen Tempelhof und Tegel waren demnach zu schließen. Der Konsensbeschluss war vornehmlich durch politischen Druck Berlins und des Bundes zustande gekommen, zusätzlich noch befeuert durch den Untersuchungsausschuss zum Grunderwerb des „Baufeld Ost“.

Neuer Flughafen in Schönefeld: Änderung des Staatsvertrags und Planfeststellung

Parallel zum Planfeststellungsverfahren für das Flughafenprojekt Berlin-Brandenburg International (BBI) durch die Flughafengesellschaft Berlin-Schönefeld GmbH im Dezember 1999 wurde der Landesentwicklungsplan der Länder Berlin und Brandenburg nachträglich durch eine Festlegung auf den Standort Schönefeld geändert.

Das rief wiederum die Gegner des Flughafenneubaus auf den Plan, hauptsächlich Anwohner der davon betroffenen umliegenden Gemeinden, die rund 5.000 Stellungnahmen und Einwände einbrachten mit dem Argument, dass ihre Anliegen im Raumordnungsverfahren nicht berücksichtigt worden waren. Insgesamt 134.000 Bürgerinnen und Bürger gründeten Bürgerinitiativen, um gegen die Festlegungen im Planfeststellungsverfahren des Mammutprojekts zu protestieren.

Zukünftiger Hauptstadtflughafen: Rechtsstreit um die Landesplanung

Die Potsdamer Landesregierung gab am 13. August 2004 grünes Licht für den Bau des Flughafens, allerdings mit Auflagen, damals noch unter dem Projektnamen BBI für Berlin-Brandenburg International.

Dennoch führte diese Landesplanung zu zahlreichen Klageverfahren, die schließlich in einem Normenkontrollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Brandenburg und Frankfurt (Oder) Recht bekamen. Daraufhin vereinbarten die Länder Berlin und Brandenburg, die im Jahr 2003 erarbeitete „verfassungswidrige Landesplanung“ nachzubessern, um eine neue Rechtsgrundlage zu schaffen.

Gericht erklärte Landesentwicklungsplan für verfassungswidrig

Aber auch der neue und überarbeitete Landesentwicklungsplan wurde im Jahr 2005 vom Oberverwaltungsgericht Brandenburg für verfassungswidrig erklärt. Und auch diese Mängel wurden im Nachhinein von den Länderbehörden korrigiert – leider wieder erfolglos.

Denn dieser Rechtsstreit im Zusammenhang mit dem Planfeststellungsverfahren eskalierte und führte 2005 zum Baustopp. Die Anwälte der Schönefeld-Gegner erwarteten immer noch – das suggerierten sie ihren Mandanten –, dass sie den Großflughafen am geplanten Standort verhindern könnten, „denn das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem vor einer Woche verfügten Baustopp sämtliche Bedenken der Kläger – von der Standortwahl über den Lärm bis hin zum Wasserschutz – anerkannt“.

2006: Bundesverwaltungsgericht erlaubte Fortsetzung des Baus

Doch es kam anders, und letztendlich erteilte das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2006 dem Flughafenneubau am Standort Berlin-Schönefeld die Genehmigung zur Fortsetzung der Bauarbeiten.

Damit aber immer noch nicht genug: Die Gegner des Flughafenneubaus am Standort Schönefeld erwirkten unter anderem wegen des Planfeststellungsbeschlusses eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht wies diese Beschwerde allerdings im Februar 2008 ab – und damit auch die im Wesen kritisierte fehlende alternative Standortprüfung.

Bundesverfassungsgericht entschied 2008 final für den Bau des Flughafens in Schönefeld

Das Planfeststellungsverfahren für den Flughafen Berlin-Schönefeld war damit das erste Verfahren der Bundesrepublik Deutschland, das nicht den Empfehlungen des Raumordnungsverfahrens folgte.

Im Entscheidungsprozess um die Wahl des Standortes für den Flughafenneu- bzw. -ausbau favorisierte ein Großteil der Brandenburger SPD anfangs Sperenberg, was auch durch die von Manfred Stolpe zum Ausdruck gebrachte Skepsis mit beeinflusst wurde.

CDU für Schönefeld: Politische Präferenzen bei der Standortwahl

Die CDU-Politiker dagegen sahen das stadtnahe Schönefeld als besseren Standort. Die Grünen lehnten Schönefeld aus ökologischen Gründen ab. Die Bundesregierung wiederum positionierte sich eindeutig zum Standort Schönefeld.

Letztendlich war die Nähe zum Haupteinzugsgebiet und die gute Erreichbarkeit aufgrund bereits vorhandener Straßen- und Schienenverbindungen mit ausschlaggebend.

Gutachten gegen Schönefeld verloren an Bedeutung

Die von mehreren externen Gutachten vorgebrachten Argumente, die allesamt ein Scheitern Schönefelds vorhersagten, gegen einen Flughafenbau am Standort Schönefeld zerstoben somit im Wind. Die politisch Verantwortlichen beurteilten die Standortfaktoren Arbeitsmarkt und Wirtschaftsimpulse für die Region völlig anders und hatten damit Recht.

Positiv schlug natürlich auch die Verknüpfung mit anderen Verkehrsträgern und die Trennung von Siedlungs- und Freiraum zu Buche, die wesentlich besser eingestuft wurden im Vergleich zu einem Flughafenneubau in Sperenberg.

Erste Hochrechnung für die Baukosten: 1,1 Mrd. D-Mark

Im Jahr 1995, also wenige Monate vor dem im Mai 1996 gefassten Konsensbeschluss, wurde eine erste Hochrechnung hinsichtlich der zu erwartenden Baukosten für den Ausbau des Flughafens Schönefeld in einer Studie präsentiert. Demnach beliefen sich die Baukosten für die erste Ausbaustufe auf 1,112 Milliarden D-Mark.

Im Konsensbeschluss wurde auch die Privatisierung der Flughafengesellschaft und der Bau des neuen Flughafens Schönefeld durch private Investoren vereinbart. In diesem, in der Bundesrepublik erstmals durchgeführten Privatisierungsverfahren, erhielt 1999 nach einem dementsprechenden Ausschreibungsverfahren ein Konsortium um das Essener Unternehmen Hochtief den Zuschlag für den Kauf der Flughafengesellschaft und den Bau des Flughafens.

Ein weiterer Bewerber, das Bonner Baukonsortium IVG, klagte dagegen. Man warf Hochtief – als Anbieter – unerlaubte Kontakte zum Auftraggeber vor, vermittelt über das Berliner Ingenieurbüro WIB, woraufhin das Oberlandesgericht Brandenburg diese Entscheidung zugunsten IVG wieder einkassierte.

Betrugsvorwürfe und Verzögerungen begleiteten die frühe Bauphase des BER

Der Vorwurf des Betrugsverdachts gegen das Essener Konsortium führte dazu, dass Hochtief im Februar 2000 von der Vergabe ausgeschlossen wurde. Bereits zu diesem Zeitpunkt sprachen die Gesellschafter des Flughafenneubaus von einer Eröffnung im Jahr 2007; es war also Eile geboten.

Zur Vermeidung von weiteren zeitraubenden gerichtlichen Auseinandersetzungen über den Ausschluss von Hochtief schlossen sich im November 2000 die beiden Konsortien – gegen Bedenken des Kartellamtes – zur BBIP (Berlin-Brandenburger International Partner) zusammen. Sie waren nunmehr die einzigen Interessenten und nutzten ihr Monopol als Druckmittel.

Konsortium forderte Milliardenbetrag und Renditegarantie

Im September 2001 legte das Konsortium dann den Gesellschaftern ein neues gemeinsames Angebot vor, welches circa drei Milliarden Mark teurer war. Zudem gingen Hochtief und IVG von einer Renditegarantie seitens der öffentlichen Hand aus, ohne sich an den Kosten um den skandalträchtigen Grunderwerb „Baufeld Ost“ zu beteiligen (hier ging es um die spekulativen Grundstückskäufe in Höhe von 650 Millionen Mark auf dem nicht benötigten Baufeld Ost – Anm. d. Red.).

Darauf reagierten die Gesellschafter und forderten vom Konsortium eine Nachbesserung ihres Angebots, was auch geschah, sodass das Konsortium und die Gesellschafter sich im August 2002 auf eine Grundsatzentscheidung über den Verkauf der Flughafengesellschaft und die Bau-Investitionssumme einigten.

Flughafengesellschaft: Privatisierungspläne und Gebührenstreit

Demnach beabsichtigte das Konsortium IVG-Hochtief, die Flughafengesellschaft für 290 Millionen Euro zu kaufen. Der Bund hingegen sollte für die Verkehrsanbindung sorgen. Die Baukosten für den Flughafen in Höhe von circa 1,7 Milliarden Euro sollten durch eine Erhöhung der Flughafengebühren finanziert werden.

Diese Forderung sollte sich letztendlich zum Knackpunkt der angestrebten Privatisierung des Flughafens erweisen. Die Idee, den Bau des Flughafens mit Privatkapital zu finanzieren, war seitens der Gesellschafter dem Umstand der klammen staatlichen Kassen geschuldet. Dass es trotzdem nicht ganz ohne öffentliche Zuschüsse geht, so der Vorschlag des Konsortiums, sollten die Passagiere übernehmen und bei jedem Abflug mit 19,50 Mark zur Kasse gebeten werden. Vehement wehrten sich die Fluggesellschaften gegen diese Gebühr. Eine Eröffnung des neuen Flughafens im Jahr 2009 wurde bereits zu diesem Zeitpunkt anvisiert.

Mai 2003: Das Ende der Privatisierungspläne

Das Privatisierungsvorhaben der Gesellschafter Berlin, Brandenburg und Bund, die Flughafengesellschaft und den Flughafen an dieses Baukonsortium zu verkaufen, endete somit unwiederbringlich im Mai 2003. Damit war auch der Plan, den Flughafen von den neuen Eigentümern bis 2009 bauen zu lassen, hinfällig geworden.

Da sich die Flughafengesellschafter mit den Bietern nicht über die Kostenrisiken einigen konnten, war auch der zweite Privatisierungsversuch gescheitert. Dem Bieterkonsortium aus Hochtief und IVG wurde als Entschädigung für die bereits erstellten Flughafenpläne und den entgangenen Auftrag eine Zahlung von 40 Millionen Euro zugestanden.

Schönefeld: Planfeststellungsbeschluss und erste Baumaßnahmen

Die Entscheidung der Gesellschafter, den Flughafen nun in eigener Regie und auf eigene Kosten zu erstellen, lag nun auf der Hand. Am 13. August 2004 erfolgte der Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld. Als Eröffnungstermin wurde der Winterflugplan 2010/2011 propagiert.

Obwohl auch gegen diesen Feststellungsbeschluss zwei Sammelklagen vor dem Bundesverwaltungsgericht in Karlsruhe eingingen (siehe oben), begann unterdessen der Abriss des Dorfes Diepensee. Im Dezember 2004 – trotz der noch anhängigen Klagen – wurde die Generalplanung des Hauptterminals an die Planungsgemeinschaft Berlin-Brandenburg International (pg bbi) vergeben, bestehend aus den Architekturbüros JSK und gmp sowie der Ingenieurgesellschaft IGK-IGR.

Flughafen BER: Baubeginn nach jahrelangen Verzögerungen

Bis zum endgültigen Urteil und dem vorläufig vom Bundesverwaltungsgericht verhängten Baustopp im April 2005 gingen mit Erlaubnis des Bundesverfassungsgerichts die bauvorbereitenden Maßnahmen weiter. Nun endlich: die längst überfälligen Spatenstiche der Verantwortlichen zum Baubeginn am 5. September 2006, nachdem das Bundesverwaltungsgericht in Karlsruhe die Klage gegen die Baugenehmigung des Flughafens abgewiesen hatte.

Allerdings wurde im Zuge dieser Entscheidung durch das Karlsruher Bundesverfassungsgericht ein Nachtflugverbot zwischen 0 und 5 Uhr angeordnet. Mit dem offiziellen Baubeginn an diesem Tag verkündete der ehemalige Regierende Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, auch schon einmal den ersten Eröffnungstermin des neuen Flughafens – den 1. November 2011. Es sollte leider nicht der letzte Eröffnungstermin sein, aber da konnte Klaus Wowereit angesichts der komplexen Gemengelage noch nicht wissen, welche Überraschungen der Flughafenneubau noch bereithalten sollte.

Fortsetzung folgt…

Kurz vor der Schließung: Der „alte“ Flughafen Schönefeld im Jahr 2017. / © Foto: Depositphotos.com

Quellen: Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, Deutsches Architektur Forum, Gemeinde Schönefeld, Wikipedia, Architektur Urbanistik Berlin, berlin.de, Skytrax, World Airport Awards, Future Travel Experience, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

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2 Kommentare

  1. Max 29. Oktober 2025 at 12:19 - Reply

    Im November 2000 schlossen sich die beiden Konsortien um Hochtief und IVG gegen Bedenken des Kartellamts zur Berlin-Brandenburg International Partner (BBIP) zusammen, wodurch Verzögerungen durch gerichtliche Auseinandersetzungen über den Ausschluss des Hochtief-Konsortiums vermieden wurden.[39] Das neue Konsortium legte im September 2001 ein gemeinsames Angebot vor, das etwa drei Milliarden Mark teurer als die ursprünglichen Angebote der einzelnen Konsortien war und umfangreiche Garantien der öffentlichen Hand für die Einnahmen der Betreiber forderte.[40] Hochtief und IVG verlangten eine Renditegarantie, ohne sich an den Folgekosten des Skandals um das Baufeld Ost beteiligen zu wollen.[41] Nach Verbesserungen des Angebots erzielten das Konsortium und die Gesellschafter im August 2002 eine Grundsatzeinigung über den Verkauf der Flughafengesellschaft und den Bau des neuen Flughafens.[42] Das Konsortium wollte die Flughafengesellschaft für 290 Millionen Euro übernehmen, der Bund sollte für die Verkehrsanbindung sorgen und die Kosten für den Bau des Flughafens von geschätzt 1,7 Milliarden Euro sollten durch eine Erhöhung der Flughafenentgelte finanziert werden.[42] Zu diesem Zeitpunkt wurde mit einer Eröffnung im Jahr 2009 gerechnet.Aus der Wikipedia

    Bermerkenswert welche Preissprünge da stattfinden, erst auf 3 Mrd. dann wieder zurück auf 1,7 Mrd.

  2. Chris367774 2. November 2025 at 23:03 - Reply

    Korrektur zum Artikel: Das Bundesverwaltungsgericht ist in Leipzig, nicht in Karlsruhe.

    „Nun endlich: die längst überfälligen Spatenstiche der Verantwortlichen zum Baubeginn am 5. September 2006, nachdem das Bundesverwaltungsgericht in Karlsruhe die Klage gegen die Baugenehmigung des Flughafens abgewiesen hatte.“

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